Vereinzelt las man im Westen über den Tod des “Vaters des Hybrid-Reises”. In China kennt ihn jedes Kind. Zu Recht, wie sein Vermächtnis zeigt.
Viele Fortschritte in der Geschichte der Menschheit haben sich im Stillen vollzogen. Das gilt – von Entwicklungen wie dem Internet oder den heftig beworbenen Ereignissen in der Raumfahrt vielleicht einmal abgesehen – auch für viele wissenschaftlich-technische Fortschritte.
Das liegt zum einen daran, dass sie oft langweilig scheinen und zum anderen daran, dass sie sinnlich schwer fassbar sind. Mal ehrlich: Wer interessiert sich schon für die Frage, welche Fortschritte die Wissenschaft dem Biolandbau tatsächlich ermöglicht – obwohl wir doch alle gesund essen wollen?
Und doch gibt es manchmal Neuerungen, die sinnlich nachvollziehbar sind und gleichzeitig vielversprechende Perspektiven eröffnen. Eine solche Innovation sind salztolerante Reissorten. Sofort entstehen im Kopf Bilder von grünen Gräsern oder goldenen Ähren, die sich sanft in der Dünung statt im Wind wiegen.
Allerdings geht es nicht darum, Reis an Badestränden anzupflanzen – so weit ist die Entwicklung noch nicht. Bisher widerstehen die Setzlinge aber immerhin einem Salzgehalt von sechs Gramm pro Liter Wasser; Meerwasser enthält dagegen etwa 35 Gramm Salz pro Liter, und selbst in der Ostsee sind es noch circa 20 Gramm pro Liter.
Die Einsatzgebiete solcher Reissorten werden entweder in küstennahen Gebieten liegen, wo Brackwasser keine Seltenheit ist oder in Steppenregionen, wo Wassermangel zu einer erhöhten Salzbelastung führt. China hat derart viele solcher Flächen, dass 200 Millionen Menschen mehr mit heimischem Getreide versorgt werden könnten, wenn nur zehn Prozent davon bepflanzt würden. Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Böden erheblich: Das Wasser an der Küste enthält vor allem Verunreinigungen mit Kochsalz (Natriumchlorid). Dagegen sind aride Gebiete überwiegend mit Natriumsulfat (Glaubersalz) belastet.
Fortschritt nur durch Kreuzungszüchtung
Was für interessierte Laien zunächst erstaunlich klingen mag, ist, dass diese Fortschritte nicht mit gentechnischen, sondern mit klassischen Methoden erreicht wurden – in diesem Fall vor allem mittels Kreuzungszüchtung.
Das liegt zum einen Teil daran, dass Salztoleranz von Pflanzen nicht einfach an ein oder zwei (gentechnisch leicht zu transferierenden) Genen festgemacht werden kann. Vielmehr gibt es verschiedene pflanzliche Strategien, mit Salzbelastungen fertig zu werden, die sich in einem ganzen Mix von Eigenschaften wiederfinden.
Der zweite Grund ist historischer Natur: Bis vor kurzem war Yuan Longping noch an den Arbeiten beteiligt und half, die entsprechenden Forschungsbemühungen zumindest in China bekannt zu machen. Yuan Longping ist der “Vater des Hybrid-Reises” und bewies schon in den 70er-Jahren, dass Kreuzungszüchtung bei Reis erhebliche Ertragssteigerungen zeitigt. Vor kurzem nun ist der Agrarwissenschaftler im Alter von 91 Jahren verstorben. In China kennt jedes Kind den Forscher. Nachrufe sind nicht nur überall in China erschienen, sondern vereinzelt sogar in westlichen Mainstream-Medien.
Der zweite Grund ist historischer Natur: Bis vor kurzem war Yuan Longping noch an den Arbeiten beteiligt und half, die entsprechenden Forschungsbemühungen zumindest in China bekannt zu machen. Yuan Longping ist der “Vater des Hybrid-Reises” und bewies schon in den 70er-Jahren, dass Kreuzungszüchtung bei Reis erhebliche Ertragssteigerungen zeitigt. Vor kurzem nun ist der Agrarwissenschaftler im Alter von 91 Jahren verstorben. In China kennt jedes Kind den Forscher. Nachrufe sind nicht nur überall in China erschienen, sondern vereinzelt sogar in westlichen Mainstream-Medien.
Neue Arten sind generell resistenter
Was die weitere Forschung an salztolerantem Reis so bedeutsam macht, sind mehrere Faktoren: Oft widerstehen die salztoleranten Pflanzen auch anderen Arten von Stress besser, wie etwa Trockenheit. Zudem gibt es nicht nur in China Flächen, die für den Anbau der neuen Sorten infrage kommen. Allein für Asien, Australien und Ozeanien schätzt das Internationale Reisforschungsinstitut (IRRI) in Manila die Flächen versalzender Böden auf 444 Millionen Hektar, eine Fläche, die größer ist als Indien und Pakistan zusammengenommen.
Zwar kann längst nicht auf allen diesen Flächen auch tatsächlich Reis gepflanzt werden. Doch allein 20 Millionen Hektar salinierter Böden liegen im Mündungsgebiet des Gelben Flusses nördlich von Shanghai, wo chinesische WissenschaftlerInnen gute Erfolge verzeichnen. Mögliche Anbauflächen für salztoleranten Reis gibt es außerdem auch im subsaharischen Afrika, in Nordafrika und sogar auf der arabischen Halbinsel. Zusätzliche Attraktivität könnten die neuen Sorten entfalten, wenn die weltweiten Nahrungsmittelpreise weiter anziehen sollten.
China ist seit den 60er Jahren bemüht, Selbstversorger bei der Reisproduktion zu werden. Doch noch immer importiert die Großmacht etwa fünf Millionen Tonnen jährlich. Wurden 1975 in China 125 Millionen Tonnen Reis konsumiert, waren es 2016 mit 261 Millionen Tonnen mehr als doppelt so viel. Im gleichen Zeitraum wuchs die chinesische Bevölkerung um 484 Millionen Menschen.
2017 war China noch immer der größte Reisimporteur weltweit (5,1 Millionen Tonnen), gefolgt von Nigeria (3,3 Millionen Tonnen), den Philippinen (1,9 Millionen Tonnen) sowie Iran und Indonesien (je 1,7 Millionen Tonnen). Am meisten Reis weltweit exportiert Indien, gefolgt von Thailand, den USA, Pakistan und Vietnam. (Uwe Kerkow)
(Quelle: www.heise.de/tp/features/Was-Yuan-Longping-fuer-die-Menschheit-geleistet-hat-6052901.html)