Die Kapitalmärkte in den USA, Europa und Japan werden zunehmend verstaatlicht. Es drohen grosse Schäden für die Märkte. Nur die chinesische Zentralbank versucht derzeit, monetär die Zügel etwas anzuziehen.

Die chinesische Zentralbank sei nicht bereit, ihre Bilanz für Staatsausgaben und -schulden zu opfern. Der Renminbi werde deshalb aufgewertet.
Die chinesische Zentralbank sei nicht bereit, ihre Bilanz für Staatsausgaben und -schulden zu opfern. Der Renminbi werde deshalb aufgewertet.

Die Covid-19-Wirtschaftskrise fördert den Aktivismus der Notenbanken. Vorige Woche erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) ihren schon sehr hohen Einsatz, indem sie ein neues Paket in Form von zusätzlichen und länger laufenden Notfall-Wertpapierkäufen, zusätzlichen Liquiditätshilfen, gelockerten Sicherheiten für EZB-fähige Sicherheiten und erweiterten Swap-Fazilitäten mit anderen Notenbanken beschloss. Damit verlängert sie faktisch ihre Politik der Zinskurvenkontrolle. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die US-Notenbank nicht lange auf sich warten lassen und auf die steigenden Fallzahlen bzw. positiven Tests mit einer Ausweitung ihres Kaufprogramms reagieren wird – vielleicht schon diese Woche.

Kein Preis mehr für Risiken

Dabei sind die monetären Bedingungen bereits so locker wie noch nie. Michael Hartnett, der Anlagechef der Bank of America, hat nachgerechnet und ist zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen: So kaufen die Notenbanken seit März im Durchschnitt alle 60 Minuten für 1,3 Mrd. $ Wertpapiere, seit Anfang des Jahres haben sie 190 Zinssenkungen vorgenommen, und als Folge ihrer Massnahmen übertrifft die Summe der negativ verzinsten Anleihen mit über 18 Bio. $ den alten Rekord von 2016 komfortabel. Der Gesamt-Stimulus in Ländern und Regionen, in denen die Unterstützung mindestens 20% des Bruttoinlandproduktes entspricht, addiert sich auf mehr als 20 Bio. $, aufgeteilt in über 12 Bio. $ fiskalische und über 8 Bio. $ monetäre Hilfe.

Die Notenbanken treiben die Verstaatlichung der Kapitalmärkte in den USA, Europa und Japan (dort auch die des Aktienmarktes) immer weiter voran mit dem Ziel, inflationär wirkende Staatsausgaben, unlimitierte Haushaltsdefizite und die Realisierung der Modern Monetary Theory (MMT) zu unterstützen, wie Hartnett in seinem neusten Bericht schreibt. Dabei tolerierten sie fortgesetzte Kurs- und Preisblasen von Vermögenswerten als «Brücken» zu kräftigerem Wirtschaftswachstum und geringerer Arbeitslosigkeit. Einzig die chinesische Zentralbank bemühe sich, monetär die Zügel anzuziehen, denn sie sei nicht bereit, ihre Bilanz für Staatsausgaben und -schulden zu opfern. Der Renminbi werde deshalb aufgewertet; er sei die neue D-Mark.

Kommentatoren wie der Heisenberg Report betonen, dass die Kapitalmärkte den mit den steigenden Staatsschulden verbundenen Risiken keinen Preis mehr zuordnen. Eines der jüngsten Beispiele seien die Anleihen Portugals, deren Rendite bei einer Laufzeit von zehn Jahren unter null gefallen ist. Italienische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren sind ebenfalls unter null gefallen; sie betrugen im März noch mehr als 2,5%. Offensichtlich stört die Marktteilnehmer nicht, dass erst vor kurzem Riccardo Fraccaro, Berater von Regierungschef Giuseppe Conte, vorgeschlagen hatte, die EZB solle als Unterstützung der Stimulierungsbemühungen die Annullierung von Staatsanleihen prüfen.

Je intensiver die Notenbanken intervenieren, desto heftiger können die Schäden für Märkte sein. Am ausgeprägtesten ist diese Entwicklung in Japan, wo bereits 2012 mit der quantitativen Lockerung und 2016 mit der Zinskurvensteuerung begonnen worden war. Jetzt findet praktisch kein Handel mit Anleihen mehr statt, bei dem nicht die Bank von Japan involviert ist, auch ist die Marktvolatilität kollabiert, da die Notenbank faktisch der Preisfixierer ist. In der Euro-Zone sinke ebenso das Handelsvolumen, klagt Alessandro Tentori, Anlagechef der Axa Investment Managers, in einer «Bye Bye Bunds» getitelten Notiz. In der Tat dürfte die EZB Ende des nächsten Jahres gegen 43% aller deutschen Staatsanleihen und rund 40% der italienischen Staatsanleihen in ihrem Portefeuille zusammengekauft haben. Laut Axa ist das Volumen des Handels mit Bund-Futures um 62% eingebrochen, seit die EZB mit ihren Anleihenkäufen begonnen hat.

Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vergibt keine guten Noten. In ihrem neusten Quartalbericht gibt die Organisation zu bedenken, dass die Wertpapierpreise zunehmend überreizt seien, da trotz Fortschritten bei der Entwicklung von Impfstoffen hohe Unsicherheiten bestünden. der Chefökonom Claudio Borio hält vor allem die trotz wachsender Verschuldung von Unternehmen auf einen Rekord gefallenen Renditen von «junk bonds» für bedenklich. Er erwartet weitere Unternehmenszusammenbrüche und einen Übergang der Krise von der Liquiditätsphase in die Solvenzphase.

Neues Geld für Anleihekäufe

Im kommenden Jahr wird weiter zusätzliche Liquidität entstehen, betont Matthew Hornbach, Zinsstratege von Morgan Stanley. Die G-10-Notenbanken werden 2,8 Bio. $ allein für Käufe von Regierungsanleihen ausgeben. Das Fed und die EZB stellen mit monatlichen Ausgaben von 120 Mrd. $ beziehungsweise umgerechnet 119 Mrd. $ den Löwenanteil. Die Bank von Japan und die Bank von England tragen mit kleineren, aber nicht unbedeutenden Summen von rund 26 Mrd. $ und 28 Mrd. $ pro Monat zu der fortgesetzten Liquiditätszufuhr bei. Anzunehmen, dass diese Entwicklung keinen weitreichenden Einfluss auf die Marktkurse haben werde, hält Hornbach für «seltsam».

(Quelle: www.nzz.ch/finanzen/zentralbanken-zunehmende-verstaatlichung-der-kapitalmaerkte-ld.1591999 / www.pbc.gov.cn)