Deutscher Politiker: Warum sollten wir unsere Beziehungen zu China riskieren?

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Dr. Maximilian Krah, Abgeordneter im Europäischen Parlaments für die Euroskeptische „Alternative für Deutschland“ (AfD) und stellvertretender Vorsitzender der Freundschaftsgruppe China des EP in einem exklusiven Interview mit FreeWestMedia.

FreeWestMedia: Herr Dr. Krah, einige Ihrer Kollegen im EU-Parlament werden die Amtseinführung von Taiwans Präsident Tsai Ing-wen zum Anlass nehmen, die Rolle Taiwans aufzuwerten. Was ist der richtige Rahmen für Europa, um mit China, sowohl auf dem Festland als auch in Taiwan, umzugehen? Was sollten unsere Leitprinzipien sein?

Krah: Leider gibt es unter westeuropäischen Politikern einen tiefen Mangel an geopolitischem Verständnis. Sie beurteilen die ganze Welt nach ihren eigenen politischen Überzeugungen, ohne viel Faktenwissen zu besitzen. China ist aus mehreren Gründen zu einer Art Buhmann für die westlichen Liberalen geworden. Und das hat ihr Interesse an und ihre Unterstützung für Taiwan verstärkt. Ich habe keinen Anteil an diesem kindischen Verhalten. Politik muss sich an den Realitäten orientieren. Der Aufstieg und die Wiederbelebung Chinas ist Realität, die Tatsache, dass gute Beziehungen zu China für Europa von Vorteil sind, ist ebenfalls ein Fakt und der Umstand, dass die chinesisch-taiwanesischen Beziehungen keine europäische Angelegenheit sind, ist auch eine Tatsache. Wir sollten das akzeptieren und auf der Grundlage dieser Tatsachen arbeiten.

FreeWestMedia: Während das Coronavirus die Welt verwüstet, sehen wir massive Schuldzuweisungen, die von Teilen des Westens gefördert werden. Sind die Auswirkungen der US-Wahlen, oder sehen Sie hierin ein massives geopolitisches Spiel?

Krah: Ich würde nicht sagen, dass diese Entwicklung nur durch die US-Wahlen bestimmt wird, das Ganze scheint viel tiefer zu gehen. Die USA haben erkannt, dass das Wachstum Chinas eine zweite Supermacht schaffen wird. Und die USA haben den verständlichen Wunsch, die eine und einzige Supermacht zu bleiben. Was wir also sehen ist Wettbewerb und China ist durch das Virus für seine Konkurrenten zur Zielscheibe geworden. Abgesehen davon kann ich verstehen, warum China so starken Gegenwind von den USA bekommt, aber es ist einfach Unsinn, wenn europäische Politiker nach dem gleichen Schema handeln.

FreeWestMedia: In geopolitischer Hinsicht: Wie werden Europas Interessen im Umgang mit China am besten gewahrt?

Krah: Wir sollten erkennen, dass Souveränität im 21. Jahrhundert bedeutet, Alternativen zu haben. Kein Land kann alles, was es braucht, im Alleingang produzieren. Nordkorea versucht es, aber das ist nicht sehr attraktiv, oder? Wir sind also alle auf Handelsbeziehungen angewiesen. Am entscheidendsten hierbei sind Energie und Technologie. Europa hat ein großes Interesse daran, verschiedene Zulieferer zu haben und das ist der einzige Weg, irgendwie unabhängig und souverän zu bleiben. Jetzt sehen wir, wie die USA versuchen, die Kontrolle über unsere eigene Wahl der Zulieferer zu übernehmen. Im Energiesektor zielen sie auf das Pipeline-Projekt North Stream 2 ab, das Gas aus Russland bringt, und im Technologiebereich üben sie massiven politischen Druck gegen Huawei aus. Es ist entscheidend, Alternativen zu den US-amerikanischen oder von den USA kontrollierten Versorgern zu behalten, denn wenn man eine Alternative hat, kann man verhandeln, aber wenn man keine Alternative hat, kann man nur darum betteln, fair behandelt zu werden. Ich will verhandeln, nicht betteln, und deshalb brauche ich China – ebenso wie Russland.

FreeWestMedia: Sehen Sie, dass die Gefahr besteht, China in der heutigen fragilen geopolitischen Lage zu provozieren und zu entfremden?

Krah: Ich sehe keinen guten Grund, warum wir unsere guten Beziehungen zu China riskieren sollten. China war bis zur Industrialisierung eine globale Supermacht. Jetzt kehrt es in seine natürliche Rolle zurück, und zwar unabhängig von unserer Zustimmung. Es ist klug, von dieser Entwicklung zu profitieren, während es dumm ist, sich auf einen Handelskrieg einzulassen, der nur die Kosten erhöht und die Situation ohnehin nicht ändert. Außerdem spielt China eine positive Rolle in Afrika, indem es eine wirtschaftliche Entwicklung herbeiführt, die in unserem Interesse liegt. China hat das Projekt der „Belt Road“ in Angriff genommen, das eine wertvolle Ergänzung für die Weltwirtschaft darstellt und den Ländern des Kontinents wirtschaftliche Entwicklung bringt. Die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) wollen davon profitieren, was ich verstehe und begrüße. China folgt natürlich einer Agenda, es konzentriert sich auf sein nationales Interesse. Ich habe keine Angst davor. Erstens, jede Nation folgt ihren nationalen Interessen, oder sollte dies zumindest tun. Die USA tun es, und Deutschland wäre besser und zuverlässiger, wenn es das auch tun würde.

Zweitens: Chinas Interessen konzentrieren sich auf die Wirtschaft. Ich habe noch nie einen chinesischen Diplomaten oder Politiker getroffen, der mir den Kommunismus verkaufen wollte, noch habe ich so etwas von Politikern aus anderen Ländern gehört. Europäische Politiker hingegen wollen der ganzen Welt ihre linksliberale Agenda präsentieren, auch wenn sie wirtschaftlich schädlich ist. Ich bin oft dankbar für die rationale, auf die Wirtschaft ausgerichtete chinesische Position. Wirtschaftliche Interessen sind leicht zu handhaben, weil sie vernunftorientiert sind. China zu provozieren, ist vielleicht nicht gefährlich, aber auf jeden Fall dumm.

FreeWestMedia: Kann und sollte Europa mit allen großen Weltmächten befreundet bleiben oder sich mit allen anfreunden?

Krah: Wenn Europa ein unabhängiger globaler Akteur sein will und nicht nur ein amerikanischer Vasall, dann muss es, wie ich erklärt habe, gute Beziehungen zu China pflegen. Wir brauchen China als alternativen Handelspartner, damit wir mit den USA verhandeln können, anstatt zu betteln. Aber ich persönlich hoffe, es wird mehr als nur eine gute Beziehung, ich hoffe, es wird eine vertrauensvolle Partnerschaft oder, wie Sie es nennen, eine Freundschaft.

China ist eine ehrwürdige und angesehene Zivilisation, es definiert seinen eigenen Weg in die Zukunft, der kulturell bemerkenswert ist und auch uns inspirieren kann, wenn es darum geht, beim Voranschreiten unser eigenes kulturelles Erbe wiederzuentdecken – anstatt zu glauben, dass die “Silicon Valley”-Lebensweise der einzig mögliche Weg ist.

FreeWestMedia: Sehen Sie, dass China sich in eine positive Richtung bewegt, oder ist es im Griff des orthodoxen Kommunismus?

Krah: Ich bin im kommunistischen Ostdeutschland aufgewachsen, bis ich zwölf Jahre alt war. Ich erinnere mich, wie der Kommunismus definiert wurde: öffentliches Eigentum an den Produktionsmitteln. Mit dieser Definition ist China heute weniger kommunistisch als Deutschland. Das einzige kommunistische Überbleibsel in China ist der Name der herrschenden Kaderorganisation und vielleicht etwas politische Folklore. Wenn man an das Jahr 1979 zurückdenkt, als Deng Xiaoping die Politik der Öffnung des Landes verkündete, hätte sich niemand, auch nicht die größten Optimisten, die seither stattgefundene Liberalisierung vorstellen können. Wir sollten fair sein und das bedeutet, die erzielten Fortschritte in allen Bereichen des Lebens anzuerkennen: wirtschaftlich, sozial, politisch.

FreeWestMedia: Was steckt Ihrer Meinung nach hinter der etwas jüngeren Begeisterung der politischen Linken für Taiwan?

Krah: Wie ich bereits erwähnt habe, ist China zum Buhmann geworden. Dafür gibt es verschiedene Gründe; wir sprachen über den US-Wahlkampf, der einer davon ist. Was die europäische Linke betrifft, so neigen sie dazu, Schwäche zu idealisieren. Sie setzen sich für die Entwicklungsländer ein, solange sie schwach und damit dankbar und irgendwie unterwürfig sind. Sie können keine starken, selbstbewussten und erfolgreichen Nationen akzeptieren.

Darüber hinaus gibt es ein Kommunikationsproblem: China ist ein meritokratisches System, die Elite wird aufgrund ihrer intellektuellen Fähigkeiten ausgewählt, während der Westen viel egalitärer ist und seine Eliten aufgrund ihrer Kommunikationsfähigkeit ausgewählt werden. Chinesische Politiker versuchen daher, mit rationalen Argumenten zu überzeugen und neigen dazu, die Bedeutung von Bildern, Erzählungen und emotionalen Botschaften zu unterschätzen. Wenn ein liberaler Politiker heute seine Missbilligung gegenüber China zum Ausdruck bringen will, wird er den einfachsten Weg wählen und seine Liebe zu Taiwan zum Ausdruck bringen. Ich kann das nicht ernst nehmen, obwohl ich verstehe, dass es das chinesische Volk verärgert, das auf die Wiedervereinigung mit Formosa hofft und sich dafür einsetzt.

FreeWestMedia: Ist die “Taiwan-Freundschaftsgruppe” im EU-Parlament überhaupt glaubwürdig?

Krah: Da ich der stellvertretende Vorsitzende der “China Friendship Group” bin, kann ich es Ihnen nicht sagen. Bis jetzt hat sich kein Mitglied dieser Taiwan-Gruppe überhaupt mit uns in Verbindung gesetzt. Vielleicht sollte ich das selbst einmal tun. Wenn sie ebenfalls den Glauben an ein gemeinsames China teilen, könnte es eine Grundlage für eine Zusammenarbeit geben. Wenn sie das nicht tun und nur den Beziehungen zwischen der EU und China schaden wollen, wird es keinen Sinn machen.

(Quelle: freewestmedia.com)