Die Behauptung, China habe mehr als eine Million muslimischer Uiguren in der Provinz Xinjiang in „Internierungslagern“ eingesperrt, basiert auf zwei dubiosen „Studien“, deren wissenschaftliche Aussagekraft mehr als zweifelhaft ist. Die erste stammt von dem in Washington D.C. ansässigen und von der Amerikanischen Regierung finanzierten „Network of Chinese Human Rights Defenders“ (CHRD)[1], das nach Befragungen von sage und schreibe acht (!) angeblich betroffener Personen eine absurde Hochrechnung anstellte. Diese haarsträubende Extrapolation auf der Grundlage nicht verifizierter Aussagen wurde seitdem jedoch von unzähligen Vertretern des US-Establishments im Außenministerium, im Kongress und in den Massenmedien mithilfe ständig wiederholter Statements, Erklärungen und Reportagen im öffentlichen Bewusstsein verankert. Das lässt man sich auch entsprechend etwas kosten. Das National Endowment for Democracy (NED), einer der vielen Propaganda-Arme des US-Außenministeriums, brüstet sich, „der einzige institutionelle Finanzierer für Menschenrechtsorganisationen der Uiguren“ zu sein, und diese seit 2004 mit über 8,75 Millionen USD ausgestattet zu haben[2]. Deren Repräsentanten nutzen die Schlagworte „Menschenrechte“ und „Demokratie“ als effektiven politischen Hebel, um den US-Kongress, das EU-Parlament und selbst den deutschen Bundestag dazu zu zwingen, sich einer anti-chinesischen Politik zu unterwerfen und entsprechende Resolutionen zu verabschieden. Der eigentliche Zweck ist jedoch der Kampf für eine Abspaltung Xinjiangs von China unter dem Namen Ost-Turkestan. Es handelt sich bei den Vertretern des World Uyghur Congress und ähnlicher Gruppierungen schlicht um Lobbyisten separatistischer Bewegungen, die zum Erreichen ihrer Ziele auch vor großflächigen und extrem grausamen Terrorangriffen nicht zurückschrecken, wie die zwischen den Jahren 1997 und 2015 in Xinjiang zu beklagenden Toten und Verstümmelten aus hunderten Terroranschlägen verdeutlichen.
Die zweite „Studie“ besteht aus einer Zusammenstellung von Mediengerüchten und Spekulationen, die ein bis vor kurzem unbedeutender radikaler christlicher Fundamentalist namens Adrian Zenz zusammengesucht hat. In den amerikanischen und auch deutschen Medien taucht Zenz ständig als „China-Experte“[3] auf, ohne dass auch nur ein Leser/Zuschauer näheres über seinen Hintergrund erfahren würde. Adrian Zenz „borgte“ sich seine „Expertise“ von einem in der Türkei ansässigen Fernsehsender der Exil-Uiguren namens Istiqlal-TV. Dieser Sender dient unter anderem den Aktivisten der East Turkestan Islamic Movement (ETIM) als Plattform – einer von den Vereinten Nationen als gewalttätig eingestufte Separatistenbewegung, die mit Terrorgruppen wie Al-Kaida und dem IS Umgang pflegt. Istiqlal-TV behauptete, es gäbe eine Liste von in Xinjiang gefangenen Uiguren, auf die sich Zenz seither bezieht. Dadurch jedoch, dass seine Behauptungen von einflussreichen US-Medien wie Washington Post, CNN und New York Times zu Top-Stories hochgespielt wurden, erhielt ein Fiktion plötzlich den Anstrich von Glaubwürdigkeit. In Deutschland bauschten u.a. der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung und Welt den Schwindel des Herrn Zenz auf ähnliche Weise auf.
Adrian Zenz ist ein 100%er Agent der Anglo-Amerikanischen Regime-Change Fraktion. Unter anderem taucht Zenz als Senior Research Fellow bei der „Victims of Communism Memorial Foundation“ (VCMF) in Washington D.C. auf, die sich für den Sturz all derjenigen Regierungen einsetzt, die sich nicht dem westlich-liberalen Gesellschaftsmodell, wie es von Washington und London vertreten wird, unterwerfen. Die VCMF ist 1983 durch eine Initiative des National Captive Nations Committee (NCNC) entstanden. Deren Gründer und langjähriger Vorsitzender war Lew Dobrianskij, ein Ukrainischer Nationalist und späterer Amerikanischer Wirtschaftsprofessor, der 1959 den Kalten Krieg nachhaltig verschärfte, indem er eine Resolution durch den US-Kongress brachte, die „Amerikanische Größe“ verherrlichte und den „Kommunistischen Imperialismus“ verdammte. Dobrianskijs Stellvertreter war der Nazi-Kollaborateur Jaroslaw Stetsko. Im VCMF kann also der „China-Experte“ Adrian Zenz seiner Bestimmung voll und ganz nachgehen, einen Kalten (oder heißen) Krieg gegen die Kommunistischen Partei Chinas anzuzetteln.
Ohne einen gewissen missionarischen Eifer lässt sich aber der unermüdliche Einsatz des Herrn Zenz gegen die chinesische Führung kaum erklären – und das bringt uns zum Kern der Sache. Laut Recherchen der investigativen Journalisten Ajit Singh und Max Blumenthal ist Zenz ein „ausgewachsener evangelikaler Endzeit-Anhänger, der scheinbar glaubt, Gott habe ihn auf einen heiligen Kreuzzug gegen die Volksrepublik China geschickt.“ Zenz ist Dozent an dem deutschen Ableger der amerikanischen Columbia International University (CIU) in South Carolina (nicht zu verwechseln mit der Columbia University in New York!), die vor allem die „richtige“ Bibelauslegung predigt. In einem Interview mit dem Wall Street Journal sagte Zenz, er fühle sich ganz klar „von Gott geleitet“, gegen China mit dem Uiguren-Thema vorzugehen. Es sei seine Mission und Berufung als Prediger. Zenz ist in die USA gezogen ist, weil er sich in Deutschland, wie er gegenüber dem Spiegel sagte, „zuletzt etwas allein gefühlt“ habe. Weiter sagte er: „In den USA wird Xinjiang mit viel größerer Aufmerksamkeit beobachtet.“ Außerdem habe er „Kontakte mit Vertretern der US-Regierung“, und er „würdige deren Einsatz für die Religionsfreiheit“. Den Chinesen, deren Kultur und Sprache er offenbar nicht zu kennen scheint, bescheinigt Zenz den Hang, „auf andere Völker herabzublicken“, während, so Zenz, die Kommunistische Partei ihre Ziele „gar nicht anders als durch Umerziehung durchsetzen“ könne. Eine solche Verdrehung der Tatsachen kann angesichts des weltweiten „Antiterror-Kriegs“ der USA, mitsamt seines weltweiten Systems der Spionage, Folter, Kriege, Sanktionen und Drohnenexekutionen nur ein offenbar gehirngewaschener Fanatiker wie Zenz anstellen.
Ähnlich wie der US-Außenminister Mike Pompeo, der sich auch zu den „wiedergeborenen Christen“ zählt, die in der Endzeit einen Krieg gegen die Ungläubigen (alle, die nicht wortwörtlich an die Prophezeiungen der Bibel glauben) führen müssen, glaubt auch Zenz an die kurz bevorstehende Wiederkehr von Jesus Christus, in der nur diejenigen durch Entrückung („rapture“) vor der Zerstörung der Welt gerettet werden, die quasi den Bibel-Code dafür entschlüsselt haben, und so ins Himmelreich eintreten dürfen. In seinem Buch „Worthy To Escape“ beschreibt Co-Autor Adrian Zenz, wie man sich auf den Tag der Wiederkehr vorzubereiten habe, um sich für die Entrückung durch Jesus Christus würdig zu erweisen. Also: ein christlicher Fundamentalist, der meint, er sei von Gott auserkoren, einen Krieg gegen das ungläubige „Regime“ der Kommunistischen Partei Chinas führen zu müssen, und das mit Unterstützung rechter Propagandagruppen, gewaltbereiter Separatisten, ideologischer Medien und außenpolitischer Hardliner – so eine Geschichte gehört eigentlich nach Hollywood. Doch es ist auf absurde Weise real. Es ist eigentlich eine Art moderner Inquisition – doch heute nennt man es den „Kampf für Menschenrechte und Demokratie“.
[1] https://www.nchrd.org/2018/08/china-massive-numbers-of-uyghurs-other-ethnic-minorities-forced-into-re-education-programs/
[2] https://www.ned.org/uyghur-human-rights-policy-act-builds-on-work-of-ned-grantees/
[3] Zum Beispiel am 28. Oktober 2020 bei der Sendung „Phoenix plus: China – Freund oder Feind?“ https://www.youtube.com/watch?v=cg_4pHai0Nk&ab_channel=phoenix