Nico Beckert: Überblick über Chinas 14. Fünfjahresplan

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Im Zentrum des diesjährigen Nationalen Volkskongress in Peking steht die Verabschiedung der Leitlinien zum 14. Fünfjahresplan. Die Schwerpunkte liegen in der Dual-Circulation-Strategie, der Ziele bei der Innovationsfähigkeit und Technologie-Unabhängigkeit Chinas sowie in der Erreichung von sozialen und neuerdings verstärkt auch Klimazielen. China.Table wird bis zum Freitag Themenbereiche konkret analysieren.

Der chinesische Fünfjahresplan ist grundsätzlich kein für fünf Jahre festgeschriebenes Planungsdokument. In ihm wird lediglich der Rahmen der Politik der Partei abgesteckt. Die Ziele werden dann auf Provinzebene und für einzelne Politikbereiche und Branchen interpretiert, konkretisiert und der Realität angepasst.

Der 14. Fünfjahresplan (in der englischen Übersetzung und in der Originalfassung) spiegelt den Kampf um die globale Führerschaft in den Bereichen Wissenschaft und Technologie sowie Innovationen wider. Peking strebt ein Innovations-getriebenes Wachstum an. Wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit soll zum Treiber der nationalen Entwicklung werden. Peking will die „harten Kämpfe um Schlüsseltechnologien erfolgreich führen“. Dazu gehören Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, IT-Technologien, Hirnforschung, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt. Zur Erreichung dieser Ziele sollen unter anderem das nationale Innovationssystem (unter anderem Forschungseinrichtungen) ausgebaut, geistiges Eigentum stärker geschützt, wissenschaftliche Forschungen besser in praktische Anwendungen übertragen, Talente gefördert und die Rolle von Unternehmern bei technologischen Innovationen gestärkt werden.

Technologie und Innovationen im Fokus des 14. Fünfjahresplans

China will seinen Industriesektor modernisieren. Die Produktion soll grüner und effizienter werden. Neben den oben genannten technologischen Bereichen zählen dazu neue Energien und Materialien, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, grüne und umweltfreundliche Produkte, die Schiffsausrüstungsindustrie („marine equipment industry“), Digitalisierung sowie Big Data. Erst Anfang des Jahres launchte die chinesische Suchmaschine Baidu eine App mit vergrößerter Schrift sowie eine Frage-Hotline für ältere Nutzer und kurbelt damit die Silberhaar-Economy an. Entwicklungen in diesen Sektoren sollen durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur – unter anderem der 5G-Netze, das industrielle Internet, Big Data-Zentren – vorangetrieben werden.

Aufschlussreich sind in diesem Bereich auch die eher die im Fünfjahresplan in Nebensätzen formulierten Ziele. Peking will beispielsweise „minderwertige und redundante Bauprojekte“ verhindern – hier sollte es um wohl vor allem um Geisterstädte handeln, die lediglich der künstlichen Aufblähung von Wachstumszahlen dienen. Zu den redundanten Investitionen der letzten Jahre gehört auch der gleichzeitige massive Ausbau von (Regional-)Flughäfen und Hochgeschwindigkeitszügen zu identischen Destinationen. Ein jüngst veröffentlichter Infrastrukturplan zeigt: Peking will bis 2035 noch 162 neue Flughäfen bauen und die Gesamtzahl somit auf 400 erhöhen. Gleichzeitig soll das Netzwerk der Hochgeschwindigkeitszüge bis 2035 auf 70.000 km fast verdoppelt und in den Ausbau von Autobahnen investiert werden. Abzuwarten bleibt, inwiefern es dabei gelingt, redundante Investitionen zu verhindern.

Der 14. Fünfjahresplan sieht vor, den Anteil des Industriesektors am Bruttoinlandsprodukt konstant zu halten. Daneben soll der Dienstleistungssektor ausgebaut und „die Entwicklung des Gesundheitswesens, der Altenpflege, der Kinderbetreuung, der Kultur-, Sport-, Hauswirtschafts-, Immobilien- und anderer Dienstleistungsindustrien“ beschleunigt werden.

Stärkung des Binnenkonsums

Ein weiterer Schwerpunkt des 14. Fünfjahresplans ist die sogenannte Dual-Circulation-Strategie. Sie sieht vor, den einheimischen Wirtschaftskreislauf zur tragenden Säule eines „neuen Entwicklungsansatzes“ zu machen – ohne jedoch den Export zu vernachlässigen. Dazu soll die einheimische Nachfrage unter anderem durch das Wachstum der Mittelschicht und die Erhöhung der Einkommen armer Haushalte, die „moderate Erhöhung“ der Löhne und die Milderung der Ungleichheit gestärkt werden (China.Table berichtete). Überraschend ist hier, dass China seine internationale Zahlungsbilanz ausgleichen will. Ob damit auch eine ausgeglichene Handelsbilanz einhergeht oder dieses Ziel nur der Besänftigung der Vorwürfe eines hohen Exportüberschusses dient, bleibt abzuwarten.

Zum Spannungsfeld zwischen privaten und staatlichen Unternehmen bleibt der 14. Fünfjahresplan vage. Einerseits will man staatliche Unternehmen „stärken, optimieren und vergrößern“, andererseits plane man, das Umfeld zur Entwicklung des Privatsektors zu optimieren. Der Widerspruch, dass staatliche Konglomerate private Unternehmen mitunter vom Markt verdrängen, das Wachstum von Staatsunternehmen also nicht immer im Sinne des Privatsektors liegt, bleibt im Fünfjahresplan unbeantwortet.

Auch soll der Marktzugang für ausländische Unternehmen und Investoren verbessert werden. Dazu gehört auch die weitere Öffnung des Dienstleistungssektors – allerdings „in geordneter Weise“. Auch hier stellt sich die Frage: Was ist wirklich Ziel? Wird hier dem Ausland, speziell Europa, die Hand gereicht? Oder will der Drache unabhängiger vom Westen werden? Die „legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen im Ausland“, will Peking „standhaft verteidigen“.

Reformen in den Sozialsystemen

Peking hat diagnostiziert, dass „Chinas Probleme einer unausgewogenen und unzureichenden Entwicklung prominent bleiben“. Hierzu gehören auch „Defizite bei der Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen“. Um diese Probleme zu lösen, sollen – neben der Erhöhung der Einkommen – auch Umverteilungssysteme „verfeinert“, Arbeitsplätze geschaffen und das Bildungs- sowie das Steuer- und Sozialsystem gestärkt werden. China will unter anderem den gleichberechtigten Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen verbessern, ein „mehrstufiges, mehrsäuliges Rentensystem entwickeln“, ein Pflegeversicherungssystem auf – und das Krankenversicherungssystem ausbauen. Auch das Gesundheitssystem soll gestärkt werden. Die Ergebnisse der Armutsbekämpfungskampagne sollen konsolidiert und erweitert werden.

Die niedrige Geburtenrate und die Überalterung der Gesellschaft sollen durch eine langfristige Bevölkerungspolitik und politische Maßnahmen zur Familienplanung bekämpft werden. Und auch bei der Urbanisierung hat Peking Probleme erkannt: „Häuser sollen zum Wohnen und nicht zur Spekulation genutzt werden“, heißt es im Vorschlag zum Fünfjahresplan. Der chinesische Wohnungsmarkt in Peking beispielsweise ist seit Jahren unerschwinglich. Nun soll das Angebot an bezahlbarem Wohneigentum und Mietwohnungen erhöht werden.

Auch das Ziel der „Priorisierung der ländlichen Entwicklung“ ist vor dem Hintergrund der Diagnose einer „unausgewogener Entwicklung“ zu betrachten. Es hat einen eigenen Abschnitt im 14. Fünfjahresplan und beinhaltet die Entwicklung der Landwirtschaft, den Anstieg der Einkommen der Bauern und die Entwicklung der ländlichen Ökonomie. Peking hat „ein hohes Land-Stadt-Gefälle in der regionalen Entwicklung und Einkommensverteilung“ ausgemacht und will es mit einer Strategie der „ländlichen Revitalisierung“ überwinden.

„Aktionsplan“ Klima

Das Thema Umweltschutz und Klimawandel wird mit der blumigen Aussage eingeleitet, dass „grüne Entwicklung der Weg zum Wohlstand“ sei. Zum Umwelt- und Klimaschutz will Peking „grüne Produktions- und Lebensweisen auf breiter Basis“ voranbringen. Dazu gehört unter anderem der grüne Umbau von Schlüsseltechnologien, die Förderung kohlenstoffarmer Energien, grüne Innovationen, der Aufbau eines grünen Finanzsystems und die Formulierung eines „Aktionsplans, um den Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen vor 2030 zu erreichen“.

Gleichzeitig steht an anderer Stelle des 14. Fünfjahresplans, dass Peking die inländische Öl- und Gasexploration stärken und den Bau von nationalen Öl- und Gaspipelines beschleunigen will.

Zum Thema Kohle – Chinas wohl größtem CO2-Problem – steht im Vorschlag des Zentralkomitees für den Fünfjahresplan nichts. Allerdings wurde kürzlich ein „Rundschreiben“ des Staatsrates zum Thema veröffentlicht. Bis 2025 soll die „grüne Transformation“ des Produktions- und Konsumsystems demnach „erste Formen annehmen“ und bis 2035 deutlich beschleunigt werden. Zum Beispiel sollen grüne Reformen in der Stahl-, Petrochemie-, Chemie-, Baustoffindustrie und anderen Branchen durchgeführt werden. Erneuerbare Energien sollen einen größeren Anteil am Stromverbrauch ausmachen. Neue Kohlekapazitäten sollen demnach strikt kontrolliert werden. Der Anteil sogenannter „grüner Kohle“ an der installierten Kohlekapazität soll ausgebaut werden.

Weitere Details aus dem Entwurf des Aktionsplans für den Klimaschutz sowie die Frage nach „geeigneten“ Kommunen für die vorzeitige Erreichung des Emissions-Gipfels hat Christiane Kühl für Sie aufbereitet.

Stärkung des Militärs

Wie schon in vorherigen Fünfjahresplänen ist die Stärkung des chinesischen Militärs und seiner „Gefechtsbereitschaft“ auch Bestandteil des 14. Fünfjahresplans. Dazu gehört vor allem die Modernisierung der militärischen Waffen und Ausrüstung.

(Quelle: 14. Fünfjahresplan – Der Überblick – ChinaTable)