Das war wohl die wichtigste Botschaft aus den Gesprächen, die der chinesische Ministerpräsident Li Qiang bei seinem Besuch in Deutschland und Frankreich in dieser Woche geführt hat: Es wird kein sogenanntes „Decoupling“ geben. Diese von der US-Regierung verfolgte absurde Strategie der zunehmenden Entkoppelung von den wirtschaftlichen Verflechtungen mit China, mit der das Land eingedämmt und geschwächt werden soll, stößt bei den wichtigsten europäischen Staaten auf erheblichen Widerstand.
Nicht nur der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, man habe „kein Interesse an einer wirtschaftlichen Abkopplung von China“, auch die französische Premierministerin Elisabeth Borne erklärte bei ihrem Treffen mit Li, sie werde ein „decoupling“ nicht unterstützen und wolle stattdessen die Zusammenarbeit mit China ausbauen. Das bedeutet, dass Deutschland und Frankreich durchaus in der Lage sind, ihre nationalen Wirtschaftsinteressen durchzusetzen, auch wenn dies bedeutet, sich gegen explizite angloamerikanische Positionen zu stellen.
An den Regierungskonsultationen in Berlin nahmen hochrangige Vertreter aus 22 deutschen und chinesischen Ministerien teil. Ein umfassenderes und effizienteres Treffen zwischen den Regierungen der beiden Wirtschaftsmächte ist kaum vorstellbar. Als Olaf Scholz im November 2022 nach China reiste, geschah dies noch unter den Bedingungen strenger Quarantäne. Diesmal gab es sowohl ein Deutsch-Chinesisches Forum für wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit unter Federführung des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform Chinas als auch einen Runden Tisch chinesischer und deutscher Unternehmer, bei dem eine Reihe von Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet und die Fortsetzung verschiedener Gesprächsformate in den Bereichen Gesundheit, Finanzen und Umwelt vereinbart wurden. Chinas Ministerpräsident Li betonte bei seinen Treffen mit Kanzler Scholz, deutschen Wirtschaftsvertretern und mit Bundespräsident Steinmeier stets, dass China in allen Bereichen bereit sei, mit Deutschland umfassend und zum beiderseitigen Nutzen zusammenzuarbeiten. Es wurde deutlich, dass Chinas Führung klar zwischen den pragmatischen und realistischen Vertretern in Europa einerseits und der Anti-China-Fraktion und ideologisierten Politfalken andererseits unterscheiden kann. Auch das Gerede vom „derisking“, das derzeit die EU-Führung zum zentralen Begriff ihrer neuen China-Strategie machen will, wird als falscher Ansatz abgelehnt.
Deutsche Industrie- und Handelsverbände haben sich jüngst entschieden gegen den Vorstoß der EU-Kommission und ihrer Vorsitzenden Ursula von der Leyen ausgesprochen. Man sehe die „Einführung staatlicher Kontrollen von Auslandsinvestitionen äußerst kritisch“, heißt es. Eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Investitionsgüterindustrie durch die Kontrolle von Auslandsinvestitionen“ müsse unter allen Umständen vermieden werden. Dass die EU-Kommission nach jahrelangen Debatten ausgerechnet zeitgleich mit den Regierungskonsultationen ihre „Strategie für wirtschaftliche Sicherheit“ vorlegt, gleicht einer gezielten Provokation. Die EU will die gesamte Wirtschafts-, Forschungs- und sonstige Zusammenarbeit zwischen China und Europa auf den Prüfstand stellen. Dies wäre das genaue Gegenteil der offenen und vertieften Beziehungen, die mit den aktuellen Regierungskonsultationen bekräftigt wurden.
Auch die französische Seite betonte, die bilateralen Beziehungen zu China stärken zu wollen, anstatt sich ernsthaft auf die Rhetorik des „Derisking“ einzulassen. So unterzeichneten China und Frankreich Kooperationsabkommen in den Bereichen Luftfahrt, Weltraumforschung und Kernenergie. Li Qiang betonte bei seinen Treffen in Paris auch, dass China mit Frankreich zusammenarbeiten wolle, um ausgewogene Handelsbeziehungen, einen erweiterten Marktzugang und ein besseres Geschäftsumfeld zu erreichen. Premierministerin Borne erklärte ihrerseits, die französischen Unternehmen seien bereit, an der Entwicklung Chinas zu einem High-Tech-Land teilzuhaben. Bei einem Abendessen traf sich Li mit Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und mehr als 100 führenden Vertretern der französischen und chinesischen Geschäftswelt. Anschließend nahm Li an einem von Präsident Emmanuel Macron initiierten Gipfeltreffen für einen neuen globalen Finanzpakt teil.
Sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite scheint man sich darüber im Klaren zu sein, dass eine Nachahmung der amerikanischen Entkoppelungstaktik, wenn auch unter dem leicht abgewandelten Namen „Derisking“, den Unternehmen beider Länder einen schweren Schlag versetzen würde. Deutschland befindet sich offiziell bereits in der Rezession, und ein Ende der überhöhten Energiepreise für Industrie und Haushalte ist nicht in Sicht. Auf dem Industrietag unmittelbar vor den Regierungskonsultationen wurde Bundeskanzler Scholz mit einer ernüchternden Bilanz seiner Energie- und Industriepolitik konfrontiert. Ein wachsender Teil der deutschen Unternehmen sei bei den Strom- und Gaskosten nicht mehr wettbewerbsfähig, leide zudem unter zu viel Bürokratie und finde kaum noch Fachkräfte. Angesichts dieser Entwicklung wäre jede Einschränkung der Beziehungen und Handelsketten mit China eine totale Katastrophe.
Für die europäischen Unternehmen geht es auch nicht nur um den Markt und die Innovationskraft Chinas. Es geht um die Rolle, die China im Verbund mit den BRICS-Staaten und den Teilnehmerländern der Belt and Road Initiative spielt. International agierenden Unternehmen in Europa ist nicht entgangen, dass sich eine epochale Verschiebung des wirtschaftlichen Momentums weg von der Dominanz der G7-Staaten hin zu den Ländern des Globalen Südens vollzieht. Deren Interesse an globaler Entwicklungszusammenarbeit ist bei weitem stärker als die Versuche, durch „Decoupling“ oder „Derisking“ Antagonismen und vom Westen kontrollierte Wirtschaftsblöcke zu schaffen. Insofern war der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang und seiner großen Delegation in den wichtigsten europäischen Industrieländern Deutschland und Frankreich auch eine deutliche Mahnung, dass Europa seine Chancen, diese historische Entwicklung positiv zu unterstützen, im eigenen Interesse und im Interesse der Menschheit nicht verspielen sollte.
(Quelle: Chinatoday)