Autohersteller aus dem Reich der Mitte haben hierzulande einen etwas zweifelhaften Ruf. Das könnte sich rasch ändern.

Great Wall Motor

Der erste Anlauf der chinesischen Autohersteller, den europäischen Markt zu erobern, darf getrost als gescheitert angesehen werden. Ein katastrophaler Crashtest beendete alle Hoffnungen, massenhaft mit billigen – und eben nicht mit preiswerten – Autos die Kundschaft zu überzeugen. Natürlich haben die Chinesen ihr Vorhaben nicht einfach ad acta gelegt. Der nächste Versuch scheint auf den ersten Blick besser vorbereitet. Und auch die Zeit spielt den chinesischen Autoherstellern in die Karten. Wer von ihnen zeigt was auf der IAA Mobility?

Wann immer vom SUV-Boom die Rede ist, wird leicht übersehen, dass in anderen Fahrzeugklassen fein nach Größen unterschieden wird, die Scheingeländewagen aber alle in einen Topf kommen. Dabei ist das Interesse der Käufer an kompakten Autos, die etwa das Format eines VW Golf (Test) haben, durchaus vorhanden. Für einen neuen Anbieter ist es also nicht die schlechteste Idee, hier anzusetzen. Der Ora Cat tut genau das: Er ist 4,24 m lang, außen konservativ und innen modern geformt. Die Chinesen unternehmen vielfach erst gar nicht den Versuch, ihren Rückstand bei Verbrennungsmotoren aufholen zu wollen, sondern setzen gleich auf die batterieelektrischen Antriebe – so auch hier: Mit 126 kW ist der E-Motor vergleichsweise kräftig. Die Batterie ist mit 63 kWh sinnvoll dimensioniert, der Preis mit ca. 30.000 Euro für das Basismodell fair kalkuliert.

Mindestens eine Nummer größer ist das SUV Wey Coffee 01, das beim Antrieb einen anderen Ansatz verfolgt: Der Plug-in-Hybrid bekommt hier eine 41,8-kWh-Batterie mit auf den Weg, was für eine Reichweite von bis zu 150 km genügen soll. Der Innenraum ist auch hier modern und hochwertig eingerichtet. Aus erstes Serienauto überhaupt hat der Coffee 01 den Qualcomm-Prozessor Qualcomm Snapdragon 8155 eingebaut, der alles rund um das weit gefasste Thema Infotainment rasant bearbeiten soll.

GWM Marke ORA

Huawei will seine Kompetenz beim autonomen Fahren unter Beweis stellen und stellt deshalb eine Plattform auf der Messe vor, die in dieser Hinsicht glänzen soll. In der Pressemeldung bleibt der Konzern allerdings vorerst noch etwas nebulös: „In der Stadt kann nun in jedem Szenario, von einfach bis komplex, und unter allen Wetter- und Verkehrsbedingungen problemlos navigiert werden. Die Lösung gewährleistet ein konsistentes Fahrerlebnis und ermöglicht die Navigation von Parkplatz zu Parkplatz, von privaten Garagen bis hin zu Parkplätzen in Bürogebäuden.“

Xpeng, ein weiterer Autohersteller, den hierzulande sicher nur intime Kenner der chinesischen Autolandschaft kennen, will sich ebenfalls beim autonomen Fahren profilieren. In München ist Xpeng nur virtuell dabei. Autonom hießt in diesem Fall nach oben: Der Xpeng X2 ist eine Art fliegendes Auto. Mit 4,97 m ist es etwa so lang wie eine Mercedes E-Klasse (Test), wiegt allerdings nur 560 kg. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 130 km/h, die maximale Flugdauer bei 35 Minuten. Bis zu 1000 Meter kann dieser X2 laut Hersteller aufsteigen.

Weniger abhebende Autos hat Xpeng auch im Sortiment: Auf der Messe steht das kleine SUV G3i, mit dem man junge Kunden ansprechen will. Komplettiert wird der Auftritt von den beiden Limousinen P5 und P7. Auch hier spielt der Verbrennungsmotor keine Rolle mehr, beide sind nur noch mit batterieelektrischem Antrieb geplant.

Was auch immer man von diesem zweiten Anlauf halten mag, die Chinesen sind für diesen ungleich besser vorbereitet als beim ersten Versuch. Die Transformation bei den Antrieben hilft den Neuankömmlingen in Europa, denn die hiesigen Hersteller können in diesem Bereich nicht auf eine jahrzehntelange Erfahrung bauen. Bei den Themen autonomes Fahren und Infotainment, die bei Kaufentscheidungen künftig maßgeblich eine Rolle spielen könnten, verhält es sich ähnlich. Schlussendlich wird niemand in der europäischen Autoindustrie den Fehler wiederholen, die Frischlinge zu belächeln. Denn auch die Japaner, Koreaner und Tesla hat anfangs niemand ernst genommen.

(Quelle: Chinesische Autohersteller auf der IAA: Klappt es im zweiten Anlauf? | heise Autos)