Chinesische Lackwaren

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Lackwaren sind eine chinesische Erfindung aus dem Kunsthandwerk und der chemischen Technik.  Lange Zeit glaubte man, dass die ältesten chinesischen Lackwaren aus der Shang-Dynastie (1766 -1122 v. Chr.) stammen, doch 1978 wurde in Hemudu (Provinz Zhejiang) eine lackierte Holzschale zusammen mit anderen neolithischen Gegenständen entdeckt. Nach der Entdeckung des Seewegs von Europa nach Asien gelangten die Lackwaren auch nach Europa.

„Xipi“, eine Art der Lackware, die marmorierter Keramik ähnelt, ist ebenfalls älter als vermutet.  Man dachte, Xipi stamme aus dem 9. Jahrhundert, aber Anfang der 1990er Jahre wurden Becher mit ohrenförmigen Henkeln in einem Grab aus dem 3. Jahrhundert gefunden. In den Büchern “Han Feizi” und “Yu Gong” aus der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v. Chr.) wird erwähnt, dass lackiertes Essgeschirr und lackierte Kultgegenstände bereits im Spätneolithikum hergestellt wurden.  Dies wurde erst Ende 1950 durch Funde in der Provinz Jiangsu bestätigt. Die ältesten Fundstücke verzierter Lackwaren stammen aus der Shang-Dynastie. Während der Frühlings- und Herbstperiode (770-476 v. Chr.) wurde dem Lackbaum große Bedeutung beigemessen.

Während der Qin- und Han-Dynastie (221 v. Chr. – 220 n. Chr.) erlebte die Herstellung von Lackwaren einen großen Entwicklungsschub und verbreitete sich in ganz China. Die kostbaren Einlegearbeiten mit Gold, Silber und Kupfer stammen aus dieser Zeit. Quellen besagen, dass eine Tasse mit Lackdekor so viel wert war wie zehn Kupferbecher. Mit Silber und Gold verzierte Tassen waren sicherlich noch weit wertvoller. Weiter heißt es, dass jemand, der eine Fläche von 1000 Mu (1 Mu = 1/15 ha) mit Lackbäumen besaß, so wohlhabend war wie ein Graf, der tausend Familien unter sich hatte.  In Shujan (Chengdu) und Guanghan, den beiden wichtigsten Zentren der Lackproduktion in Sichuan, wurden staatliche Industrieaufseher eingesetzt. Ihre Aufgabe war es, die Lackproduktion zu überwachen, an der eine große Anzahl von Arbeitern beteiligt war.

Von der Tang- zur Ming-Dynastie

Die große Blütezeit aller Künste während der Tang-Dynastie (618-907) spiegelte sich auch in der Lackkunst wider. Die Erfindung der geschnitzten roten Lackwaren stammt aus jener Zeit. In der anschließenden Song-Dynastie wurden häufig Gold und Silber als Grundmaterial verwendet. Die geschnitzten Motive stellten Hügel, Flüsse, Türme, Pavillons, Schriftzeichen und Tiere dar.  Metallumrandungen waren manchmal ein fester Bestandteil des Dekors. Es wurden neue Farben verwendet, wie die Farbe der Nashornhaut, eine Kombination aus Zinnoberrot, Schwarz und Gelb.  Polychromer Lack kam sehr in Mode.

Die Ming-Dynastie (1368-1644) war durch große Lackbaumplantagen in Nanjing gekennzeichnet. In Peking wurde eine Regierungsstelle für die Herstellung von rotem Skulpturenlack für den kaiserlichen Hof eingerichtet. Die Grundmaterialien waren Holz, Zinn und gelbes Kupfer. Das Yang Ming zugeschriebene Handbuch „Über das Dekorieren mit Lacken“ aus dem Jahr 1625 erwähnt Dutzende verschiedener Dekorationstechniken für verschiedene Arten von Lackwaren.

Von China in die Welt

Seit der Han-Dynastie verbreiteten sich Lackwaren und Lacktechniken über die Grenzen des Reiches hinaus, zunächst nach Korea, in die Mongolei und nach Japan, dann nach Südasien (Myanmar, Indien, Bangladesch, Thailand, Kambodscha) und in verschiedene Länder Zentral- und Westasiens. Lackwaren wurde bald zu einer typisch asiatischen Handwerkskunst. Chinesische Lackwaren wurden unter anderem in alten Gräbern in Noyin Ula in der Mongolei entdeckt. Perser und Araber brachten sie über die Seidenstraße nach Europa, portugiesische und holländische Kaufleute auf dem Seeweg.

Techniken und Arten

Der Lack wird als natürlicher Saft des Lackbaums gewonnen wird, der nur in Südostasien und im Fernen Osten vorkommt.  Durch Anritzen der Rinde wird der grauweiße, klebrige Saft gewonnen, der sich dunkel färbt und erstarrt, sobald er mit der Luft in Berührung kommt. Nach verschiedenen Behandlungen (Filtern, Glätten, Trocknen) wird der Rohlack in einen verwendbaren Lack umgewandelt, dem je nach Anwendungsgebiet Pigmente und Öle zugesetzt werden. 

Eine Besonderheit des Lacks ist, dass er nur bei einer hohen Luftfeuchtigkeit von etwa 75 bis 85 % und einer Temperatur von 25 bis 30 °C aushärtet. Ist der Lack einmal ausgehärtet, ist er widerstandsfähiger gegen Säuren, Laugen und heißes Wasser als Ölfarbe. Der Lack schützt das Holz vor Feuchtigkeit und Fäulnis und speichert außerdem die Wärme. 

Die schützenden Eigenschaften des Lacks wurden deutlich, als man feststellte, dass lackierte chinesische Gegenstände, die mehrere tausend Jahre lang mit Wasser in Berührung gekommen waren, unversehrt geblieben waren.

Da Lack auf verschiedene Arten von Oberflächen aufgetragen werden kann, ist seine Verwendung sehr vielfältig und findet sich auch auf größeren Gegenständen wie Schränken. 

Während der Qing-Dynastie

In der Qing-Dynastie (1644-1911) wurde diese traditionelle Technik bei Himmelbetten und Paravents, sowie bei Schmuckstücken weitergeführt, ohne aber wirklichen Neuerungen einzuführen. 

Bei Schmuckkästchen, Schachteln aller Art, Geschirr, Vasen und Ziertafeln besteht das Trägermaterial in der Regel aus Holz, manchmal auch aus geflochtenen Gegenständen oder gepresstem Karton, aber auch aus Metall, Kupfer, Keramik oder mit Lack imprägniertem Textilstoff. In den meisten Fällen eignet sich der Holzkern gut für diese Technik, die jedoch einen großen Nachteil hat: Das Holz verformt sich noch eine Weile, nachdem der Lack aufgetragen wurde.  Diese Verformung führt zu Rissen in den Lackschichten, wenn die Luftfeuchtigkeit sehr niedrig ist.

Um dieses negative Phänomen zu vermeiden, wird zunächst eine erste Schicht sorgfältig aufgetragen und die Trocknung erfolgt an einem Ort mit hoher Luftfeuchtigkeit. Um eine hochwertige Lackierung für die fertige Dekoration zu erhalten, sind mehr als dreißig Behandlungen erforderlich.  So liegt die einzigartige Haltbarkeit des Lacks nicht nur im Material, sondern auch im sorgfältigen Prozess des Auftragens der ersten und der nachfolgenden Schichten. Diese aufwändige Bemalung wurde daher von Anfang an in einer recht umfangreichen Arbeitsteilung durchgeführt.

Farbige und goldene Verzierungen

Bereits in der Han-Dynastie wurden folgende Aufgaben unterschieden: Nutzbarmachung des Rohlacks, Schleifen des Untergrunds, Auftragen des Lacks, Vergolden und Bemalen, Gravieren von Inschriften, Polieren und Finishing. Jeder Arbeitsgang wurde von einzelnen Handwerkern ausgeführt.  Der brillante Glanz, das geringe Gewicht und die angenehme Haptik eines lackierten Gegenstandes haben viele Künstler dazu veranlasst, verschiedene Dekorationstechniken anzuwenden, um die Oberfläche zu verschönern. Die alte Technik besteht darin, die Oberfläche mit farbigem Lack zu bemalen.  Bereits in der Zeit der Streitenden Reiche wurden rote, gelbe, blaue, weiße und schwarze Farben und deren Kombinationen verwendet. Sie wurden aus mineralischen Pigmenten, rotem oder weißem Ton und pflanzlichen Substanzen wie Indigo gewonnen. Um den Effekt zu verstärken, wurden nach der Bemalung eine oder mehrere Lackschichten aufgetragen und das Objekt anschließend poliert, so dass die oberen Schichten durchscheinend wurden und einen besonderen Glanz erhielten.  Das Einlegen von Metall in die oberste Lackschicht, um die schwarze Oberfläche quasi zum Leben zu erwecken, wurde schon früh praktiziert. Während der Tang-Dynastie kam das Einlegen von Perlmutt in Mode.  Weitere wertvolle Materialien waren Silber, Gold, Perlen, Jade, Achat, Koralle, Malachit und Elfenbein.

In der Yuan-Dynastie waren Goldverzierungen an der Tagesordnung.  Dafür gab es zwei Verfahren: das Füllen mit Blattgold in einem vorgekerbten Muster und das Bestäuben mit Goldpulver nach einem bestimmten Muster. Die Schnitzlackierung ist seit der Ming-Dynastie am bekanntesten und wird in der Regel auf eine Metalloberfläche aufgetragen. Zunächst werden mehrere Dutzende, manchmal sogar bis zu zweihundert Lackschichten aufgetragen. In diese wird dann eine Art Skulptur mit unterschiedlichen Relieftiefen und in allen möglichen Motiven geschnitzt. Die Farbe des Lacks ist in der Regel rot.

Peking ist das Hauptzentrum für die Herstellung von geschnitzten Lackwaren. Die verschiedenen Dekorationstechniken verwenden sehr unterschiedliche, aber oft wiederkehrende Motive: Landschaften, mythologische Tiere wie Drachen und Phönixe, Vögel, Blumen, Pavillons, Tempel und Schriftzeichen. Die ältesten gefundenen Motive waren Wolken oder Wellen, manchmal stilisiert, manchmal nicht.

Eine ganz besondere Art dieser Kunst sind die so genannten skelettlosen Lackwaren aus der Provinz Fujian. Sie zeichnen sich durch ihre außergewöhnliche Leichtigkeit und die Glätte der Oberfläche aus. Letztere entsteht durch das Fehlen eines Trägers, so dass keine Einschnitte oder Einlegearbeiten vorgenommen werden können. Diese Technik wurde im 19. Jahrhundert zur vollen Reife entwickelt.