Wer ein größeres Interesse an China hat als der durchschnittliche Tourist, wird früher oder später mit einem gravierten Namensstempel im Koffer nach Hause zurückkehren. In China wird traditionell ein Geschäftsvertrag durch eine handschriftliche Zeichnung beider Partner beurkundet. Künstler signieren ihre Werke mit ihrem Namen. Offizielle Papiere haben eine Unterschrift und auch einige markante Stempel.

Früher, und manchmal noch bis heute, bestand ein Vertragsabschluss aus einem festen Händedruck.  Später folgte die handschriftliche Unterschrift auf allen Arten von Verträgen und anderen offiziellen Dokumenten. Wer nicht schreiben konnte, setzte seinen Daumenabdruck ein. Das Wort Unterschrift bedeutet: den eigenen Namen mit der eigenen Hand schreiben.

China ist in vielen Bereichen sehr speziell, so auch bei der Unterschrift

Alles, was zu Papier gebracht wird, ob Text oder Bild, wird mit einem Namensstempel versehen – je gewichtiger das Dokument, desto eindrucksvoller der Stempel. Dabei werden der Familienname und der Vorname in die flache Unterseite eines Stücks sehr harten, nicht porösen Steins eingraviert. Der Stein wird mit rotem Siegellack oder, prosaischer und zeitgemäßer, mit der roten Tinte eines Stempelkissens benetzt und auf das zu unterschreibende Dokument gedruckt.

Schon in der Antike boten findige Namensgraveure geschnitzte Edelsteine an. Feine und dekorative Steine wurden ausgewählt und geschnitzt, in der Regel auf Bestellung eines wohlhabenden Auftraggebers.

Stempel, und seien sie noch so klein, sind ein Kunstwerk für sich und werden von Spezialisten hergestellt. Normalerweise trägt das Siegel den Namen und den Vornamen des Besitzers. Große Maler, Schriftsteller und Kalligraphen verwenden gerne Pseudonyme, und diejenigen, die einen Namen besitzen, der normalerweise aus drei einfachen Buchstaben besteht, suchen nach einem noch klangvolleren Namen.

Das Pseudonym sollte nicht nur schöner klingen und eine bessere Bedeutung haben, sondern auch besser aussehen als der eigentliche Name.

Die Anfertigung eines Namensstempels erfordert eine Menge Vorbereitung. Zuerst wählt man den Namen: den echten oder ein Pseudonym, den Vornamen und/oder den Nachnamen. Anschließend wählt man den Schreibstil: alt, modern, groß, klein, usw. Die chinesischen Schriftzeichen sind in sechs Stile unterteilt. Man wählt die Anordnung der Zeichen auf dem Stempel, und dann werden die Zeichen auf der Stempeloberfläche spiegelbildlich aufgezeichnet. Nach einer abschließenden Kontrolle kann das Schneiden beginnen.

Am Ende der Qing-Dynastie und zu Beginn der Republik China (1912-1949) wurde die Verwendung eines Namensstempels auch beim einfachen Volk beliebt. Es wurde zu einer Mode, einen Brief mit seinem eigenen Namensstempel zu versehen.

Im Jahr 1904 wurde in Hangzhou der erste moderne Siegelgraveurverband von den „Acht Siegelgroßmeistern“ gegründet. Ihre Namen sind unsterblich: Ding Jing, Huang Yi, Xi Gang, Jiang Ren, Chen Yuzhong, Chen Hongshou, Zhao Zhishen und Qian Song. Sie alle hatten einen jeweils anderen Stil. Die Vereinigung der Siegelgraveure von Xiling war in ganz China bekannt.

Unter dem Einfluss dieser Acht Berühmtheiten der Zhejiang-Schule waren immer mehr Menschen von den Inschriften auf alten Steinen und Bronzen fasziniert. Die Meister dieser Schule führten ein gründliches Studium der Siegelinschriften aus der Qin- (221-270 v. Chr.) und Han-Zeit (206 v. Chr. 220 n. Chr.) durch.

Steine und Funde

Seit der Antike sind die Changhua-, Qingtian- und Shoushan-Steine für die Herstellung von Namensstempeln besonders begehrt. Die drei Namen der Steinarten stammen von ihren Fundorten ab.

Der Qingtian-Stein aus der Provinz Zhejiang ist farbenprächtig und besitzt Adern mit einem regelmäßigen Muster. Seine Unterarten Baiguodong, Fengmendong und Lanhundong stehen für eine sehr hohe Qualität.

Baiguodong ist hellblau und hellgelb gefärbt. Lanhuadong hat die Farbe von zarten Orchideenblättern. Fengmendong ist blau, gelb oder grün und immer hell geädert.

Es gibt auch eine transparente Sorte, die sehr beliebt ist.  Man kann durch sie hindurchsehen und die reichen Adern im Inneren bewundern. Shaoshan-Steine findet man in der Provinz Fujian. Jixue-Steine sind blutrot und kommen ebenfalls in Fujian vor. Diese so genannten Blutsteine, die in der Regel grau geädert sind, wurden den Ming-Kaisern als Geschenk überreicht oder von ihnen gesammelt.

Modernität

Selbstverständlich sind alle harten, glatten Gesteinsarten für die Herstellung von Namensstempeln geeignet. Die einzige Voraussetzung ist, dass der Stein keine äußeren und schon gar keine inneren Bruchlinien aufweist.

Die Palette der Siegelsteine reicht von einfach polierten Nuggets bis zu echten Miniaturskulpturen, je nach Geschmack und Geldbeutel des Käufers. Der Boden, auf dem der Name eingraviert wird, ist quadratisch. Wenn der Stein an der Unterseite schön flach ist, um den Namen einzugravieren, kann man ihn in alle Richtungen verwenden. Ein Namensstempel wird auf zwei Arten eingraviert:

Erstens: Der Stein wird so ausgeschnitten, dass der Name reliefartig hervortritt und beim Druck nur die Namenszeichen auf dem Papier entstehen, manchmal mit einem feinen Rahmen umrandet.

Zweitens: Der Name wird so herausgeschnitten, dass die eingefärbte Fläche auf dem Papier erscheint und der Name selbst weiß bleibt. Wenn Sie einen schönen Stein, eine ruhige Hand, anfangs viel Geduld zum Üben, eine schöne Schrift, einen Spiegel zum Umkehren der chinesischen Schriftzeichen und ein paar scharfe Schneideinstrumente haben, dann besitzen Sie alles Notwendige, um Ihren eigenen personalisierten Namensstempel so zu gestalten, wie es Ihnen gefällt.

Wussten Sie schon?

Jedes Jahr während des Qingming-Festes (chinesisches Totenfest im April) und des Doppel-Neun-Festes (im Oktober) kommen Siegelgraveure nach Hangzhou, um ihre neuen Arbeiten und Entwürfe vorzustellen und Erfahrungen auszutauschen.