Das Dezimalsystem, das heute für die moderne Wissenschaft grundlegend ist, entstand im 14. Jahrhundert in China. Wussten Sie das? Eigentlich kann die Nutzung bis ins vierzehnte Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgt werden, also die archaische Periode, die als Shang-Dynastie bekannt ist, auch wenn es offensichtlich schon lange vorher genutzt wurde.

Ein Beispiel dafür, wie die antiken Chinesen das Dezimalsystem verwendeten, zeigt eine Inschrift aus dem dreizehnten Jahrhundert v. Chr., in der „547 Tage“ geschrieben steht: „Fünf Hundert plus vier Dekaden plus sieben Tage“ oder 500 + 4×10 + 7. 

Seit jener frühen Zeit also hatte die chinesische Mathematik den großen Vorteil, bei der Darstellung von Zahlen und der Durchführung von Berechnungen den dezimalen Stellenwert zu verwenden. Ein Grund dafür mag sein, dass die Chinesen in Schriftzeichen schrieben, statt ein Alphabet zu verwenden. Bei einem Alphabet, das zwangsläufig aus mehr als nur neun Buchstaben besteht, besteht die Versuchung, bei der Verwendung der Buchstaben zur Darstellung von Zahlen, nicht nach „neun“ aufzuhören, sondern weiterzumachen. Dann erhält aber die „zehn“, nach der das Dezimalsystem ja benannt ist, ein eigenes Symbol, statt der Verwendung des Symbols für die „eins“, das in eine neue Spalte gerückt wird. Somit erhält auch die „elf“ dann ein eigenes Symbol und wird nicht als „zehn und eine weitere Einheit“ ausgedrückt. Die alten Griechen benutzten ihren ersten Buchstaben, Alpha, für die Eins. Sie hörten aber nicht mit der Neun, dem Buchstaben Theta, auf, sondern setzten die Reihe fort und verwendeten für die Zehn den Buchstaben Jota.

Beim Rechnen benutzten die Chinesen Zählstäbchen auf Zähltafeln. Um zehn zu „schreiben“, musste ein einzelnes Stäbchen in das zweite Kästchen von rechts gelegt werden, während das erste Kästchen leer blieb, um die Null anzudeuten. Um von zehn auf elf zu kommen, wurde im ersten Feld ein einzelnes Stäbchen hinzugefügt. Um 111 zu „schreiben“, wurde je ein Stäbchen in das erste, zweite und dritte Feld gelegt. Offenbar war das Dezimalsystem für Zahlen von frühester Zeit an ein buchstäbliches Stellenwertsystem; die Chinesen legten Zählstäbchen in dafür vorgesehene Kästchen. Dass das Dezimalsystem schon seit den Anfängen der Mathematik in China existierte, verschaffte den Chinesen einen wesentlichen Vorteil und legte den Grundstein für die meisten der späteren Fortschritte, die sie machten. Das war ein Vorteil, der dem Westen abging. Der erste Beleg für die korrekte Verwendung von Dezimalzahlen in Europa findet sich in einem spanischen Manuskript von 976 n. Chr., etwa 2300 Jahre später als die frühesten chinesischen Belege. 

Bis 1970 wurden in der modernen chinesischen Bank noch die traditionellen Methoden der Berechnung mit dem Abakus verwendet. Die Chinesen verwendeten die Dezimalmathematik mindestens 2300 Jahre lang, bevor das System im Westen übernommen wurde, und erfanden die negativen Zahlen, die auf den heutigen Kontoauszügen so gefürchtet sind.