Kaum ein chinesisches Wort ist so überstrapaziert worden wie „Guanxi“. Was ist damit gemeint? Der Begriff ist im Westen vor allem durch Geschäftsleute bekannt, die mit oder ohne Erfolg aus China zurückkehren, und wird oft mit der Übergabe von Geschenken oder versiegelten Umschlägen an Geschäftskontakte in Verbindung gebracht, die versprechen, der ‚Sesam-öffne-dich‘ zu sein, der die Türen im Verwaltungslabyrinth öffnen kann. Ein Klischee?

Ja, denn die mit „Guanxi“ verbundene Realität auf diese Weise zu definieren, ist eine übertriebene Verzerrung und Vereinfachung der Bedeutung dieses Wortes, das einen sehr wichtigen Aspekt des Funktionierens der chinesischen Gesellschaft darstellt.

Eine sehr chinesische soziale Eigenschaft

Wörtlich bedeutet „guanxi“ „Beziehungen“ und umfasst alle Arten von Beziehungen.

Das Wort wird auch als Beziehungsgeflecht zwischen verschiedenen Personen verstanden, die auf freiwilliger Basis zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen wollen, um den größtmöglichen Nutzen aus dem so entstandenen Netzwerk zu ziehen. In diesem Sinne muss „guanxi“ nicht nur auf Geld basieren!

In der chinesischen Kultur ist „Guanxi“ eine Art Erweiterung der familiären Bindungen, eine völlig legale, mehr oder weniger langfristige Investition in ein Freundschaftsbündnis.

Menschen, die an diese Art von Vertrauen und moralischer Verpflichtung nicht gewöhnt sind, können einen gewissen sozialen Druck verspüren.

Mit Korruption hingegen hat dies nichts zu tun – ein typisch westliches Klischee! Wie beim Lobbying in westlichen Ländern gibt es auch hier Missbräuche, die zu Korruption führen können.

Guanxi muss kultiviert werden

Beim Aufbau von Guanxi geht es darum, einen persönlichen Kontakt herzustellen, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, sich bekannt zu machen, sich gegenseitig zu verstehen und den eigenen Standpunkt zu erläutern. Die Pflege von Guanxi ist eine Tätigkeit, die Zeit, Energie, Geduld und oft auch den Austausch von Dienstleistungen erfordert.

Westler, die es eilig haben, schnelle und pikante Geschäfte zu machen, vernachlässigen diesen Aspekt des chinesischen Soziallebens – zu ihrem eigenen Schaden.

Denn ist Guanxi erst einmal etabliert, wird es möglich, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu erreichen und das Gewünschte leichter zu bekommen.

Der chinesische Romancier Jiang Zilong bringt es auf den Punkt: „In den kapitalistischen Ländern geht alles mit Geld. Bei uns mit Beziehungen.“