Die „Flexibilität des Drachen“ von Cyrille JD Javary

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Das Buch gibt es nur auf Französisch, aber es ist brillant und gut dokumentiert. Javary ist Chinaspezialist und das nicht nur in der Theorie. Seit 1975. reist er oft durch China. Daher ist dieses Buch auch vollgepackt mit Erfahrungen aus erster Hand und interessanten Anekdoten.

In dieser ersten Besprechung wird LHCH Ihnen das Reframing erläutern, das der schlecht übersetzte Begriff der „5 Elemente“ in der chinesischen Philosophie und Medizin erfahren hat. Sie müssen das Buch also nicht auf Französisch lesen, lesen Sie einfach unsere Zusammenfassung.

DIE FÜNF WANDLUNGEN DES YIN UND DES YANG

Der französische Sinologe stellt eine Verbindung zwischen dem sesshaften Leben auf dem Land dank der Landwirtschaft im angestammten China und dem berühmten Klassiker der Wandlungen her. Die Bauern, die seit Generationen in ihrer Umgebung leben, sehen seit jeher den Lauf der Jahreszeiten, der ihre Arbeit wesentlich mitbestimmt. Die reale Welt bedeutet also einen ständigen Wechsel. Aber ohne die Angst, die im Westen in der Antike herrschte. Wir hätten immer nach „festen, bestimmten, ewigen Essenzen“ gesucht, um dem Chaos dieses unaufhörlichen Werdens einen „Sinn“ zu verleihen.

Die Chinesen haben den Wandel zu ihrer größten Weisheit gemacht. Wir sehen das in ihren alten Gemälden, in denen die sehr subtilen Übergänge der Zeit, z.B. von Nebel, ein beliebtes Thema sind.

Doch wie stellen sich die Chinesen diesen Wandel in Weisheit, Politik, Krieg oder Medizin vor?

Das Prinzip ist einfach: nur die Veränderung ändert sich nicht! Das ist das einzige stabile Prinzip. Daraus ergeben sich „Strategien“, um diesen Wandel möglichst intelligent zu begleiten und zu steuern und „wirksame“ Aktionen oder Reaktionen darauf durchzuführen.

Dies sei, so Javary, das Hauptthema des Buchs der Wandlungen. Dabei gehen wir weder auf den legendären Ursprung noch auf die Inschriften auf den Knochen oder Panzern von Schildkröten aus der Shang-Dynastie zurück, die später die berühmten 64 typischen Situationen in 64 Hexagrammen wiedergaben.

Diese 64 Hexagramme bestehen jeweils aus 6 gestrichelten Linien (Yin) oder durchgehenden Linien (Yang). Wir beschränken uns hier auf die Betrachtung der beiden Formen – Yin und Yang.

Sie kennen Yin und Yang. Sicher. Es gibt im Westen allerdings zahlreiche falschen Vorstellungen und Fehldeutungen.

Werfen wir einen kurzen Blick auf Yin und Yang, bevor wir uns mit den „5 Elementen“ befassen, die der Autor die „5 Wandlungen“ nennt, weil es da genau um das Wirken von Yin und Yang geht.

Es geht dabei nicht um die 5 feststehenden Elemente Holz, Metall, Wasser usw. Wir werden es sehen.

DIE ECHTE YIN-UND-YANG-DENKWEISE

Wir können keine genauen Daten für die Entstehung des außergewöhnlichen Buchs angeben. Auch die Autoren sind nicht bekannt.

Die Zhou-Dynastie ist die Version, in der die komplementären Gegensätze Yin und Yang auftreten. Das war also irgendwann zwischen 1046 und 256 vor Christus. Allerdings wissen wir, dass die Han dieses Buch offiziell zum Buch von Yin und Yang machten.

Kommen wir zunächst auf die Bauern zurück. Sie sahen im Jahr eine zyklische Bewegung der Jahreszeiten: „ein Licht und eine Hitze, die allmählich aufsteigen, um dann der Kälte und der Dunkelheit Platz zu machen“. Und anschließend kehrt mit dem Frühling das Licht zurück und damit die warme Helligkeit.

Man könnte von einem Yin- und einem Yang-Atem sprechen, die sich in ihren Bewegungen abwechseln, ohne dass einer von ihnen jemals ganz verschwindet.

Es hat den Anschein, als würde das eine auf Kosten des anderen wachsen, und wenn es seinen Höhepunkt erreicht hat, verwandelt es sich in das andere! Javary spricht von der großen Wandlung. Und einer binären Dialektik.

Es heißt, der große Weise Konfuzius habe den bedeutenden Kommentar zum Yi Jing geschrieben und damit den wichtigsten Kommentar in diesem Buch.

Das Grundprinzip lautet: ein Yin, ein Yang, zusammen werden sie Dao genannt (Funktionieren der Welt).

Es ist sinnlos, in Yin und Yang eine feste Bedeutung zu suchen; das erste ist eine Tendenz zum Rückzug, Schatten, das zweite eine Tendenz zur Entfaltung von Energie, Licht.

Aber noch einmal: Yin ist der Übergang von Licht zu Dunkelheit und Yang ist der Übergang von Dunkelheit zu Licht.

Im Westen würde man sagen: Heiß und kalt. Das ist es aber nicht. Letztlich wird die kühlende Wirkung (oder das, was sich verdunkelt, passiv) und die wärmende Wirkung (oder das, was sich erhellt, aktiv).

Javary spricht von der Wiederherstellung der Kraft und dem Einsetzen der Kraft. Also alles außer vorgefertigten, begrenzten und festen Dingen. Das Schlimmste wäre, wenn man sagen würde: „Yin = Frau“ „Yang = Mann“.

Laut der französischen Sinologie sollte man sich davor hüten, die simplifizierenden Gegensätzen kalt/heiß, ungerade/gerade, weiblich/männlich zu benutzen.

Am Akzeptabelsten wäre noch: Yin-Flexibilität und Yang-Festigkeit, weil dies zwei ganz allgemeine Lebensstrategien sind. Tatsächlich müssen bei jeder Wandlung einige Kriterien im Voraus erfüllt sein, damit man sie einordnen kann.

Kurz gesagt, wenn das Dao der nie endende Wandelt von Yin und Yang und Yang zu Ying ist, besteht Weisheit darin, in jedem Moment unseres Lebens eine Harmonie zwischen diesen beiden „Gegensätzen“ zu finden.

Kommen wir nun zu den so genannten „5 Elementen“, was eigentlich eine ungünstige Bezeichnung ist. Auch von dieser westlichen Vorstellung müssen wir uns lösen.

DIE FÜNF WANDLUNGEN

Aber der Wechsel von Yin und Yang reicht nicht aus, um beispielsweise zu erklären, was für ein sesshaftes Volk, das Landwirtschaft betreibt und den Wechsel der Jahreszeiten jedes Jahr miterlebt, wesentlich ist.

Die traditionelle Medizin braucht auch Wirkungsweisen, die über das einfache Funktionieren von Yin und Yang hinausgehen. Auf ihre Initiative hin, so Javary, bereichern jetzt die fünf Wandlungen die bis dahin binäre Betrachtungsweise.

Die Chinesen, und insbesondere Zou Yan, nannten sie „Yin Yang Wu Xing“, die 5 Wandlungsphasen von Yin und Yang. Aber da die chinesischen Schriftzeichen für die „Elemente“ der Natur stehen, die wir seit der griechischen Antike kennen, nämlich Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, blieben die europäischen Bücher des 19. Jahrhunderts bei diesen trägen Naturmaterialien stehen. Die Wandlungsphasen dieser Elemente wurden dabei übersehen.

Wir haben ja schon die Jahreszeiten erwähnt, aber derer gibt es nur fünf. Ja, die 5 ist die Zahl, die auf die vier folgt. Hier sieht die immobile Erde die vier Jahreszeiten an sich vorüberziehen.

Der Dreh- und Angelpunkt, von dem Lao Zi im Daodejing spricht und der dafür sorgt, dass alles „ohne Abnutzung“ funktioniert?

Javary untermauert sein Argument durch Hervorhebung des chinesischen Verbs xing. Es bedeutet „gehen“ für einen Menschen, aber auch für einen „Computer, der funktioniert oder nicht“, der also funktioniert.

Kurz gesagt, wir befinden uns in fünf Energiewandlungen im Lebenszyklus (Jahreszeiten, menschlicher Körper usw.).

Sehen wir uns einmal die Phase Mu – Holz – an. Wenn es nach unten geht: Ying. Wenn es nach oben geht: Yang. Im Frühling und Sommer wachsen die Bäume in den Himmel; im Herbst und Winter wächst der Saft des Baumes zur Erde hin, er „steigt hinab“.

Aber wenn Holz von Natur aus aktiver Natur ist, ist es logischerweise im Wesentlichen ein Symbol für den Frühling.

Und Metall? Symbol für den Herbst, die zweite dazugehörige Jahreszeit?  Javary untersucht den Charakter von Jin (Metall, Gold), in dem sich der Schlüssel zur Erde befindet. Die Chinesen wussten ja bereits, dass Schwermetalle im Zentrum der Erde, in der Tiefe, konzentriert sind. Die Funktion von Metallen liegt also in der Konzentration, das ist ihre Phase.

Bei den beiden anderen Jahreszeiten ist die Phase offensichtlicher. Im Winter geht es um das Wasser, das ja nach unten fließt, und der Sommer ist das Feuer, das nach oben steigt.

Und die fünfte Phase? Die Erde? Wie die Leere, wie Lao Zi sie nennt, ermöglicht sie den vier Jahreszeiten ihre Wandlungen, weil sie unbeweglich in der Mitte verharrt.

So stehen diese fünf Wandlungen also in einer Zwischenbeziehung (die Erde erzeugt beispielsweise das Metall), ebenso gibt es eine gewisse Hierarchie (das Wasser beherrscht das Feuer).

Es geht in diesem Artikel vor alllem darum, zu vermitteln, dass die Vorstellung, im chinesischen Denken ginge es um „Entsprechungen“, so gar nicht richtig ist. Im Westen heißt es leichthin, der Herbst entspreche dem Metall und der Lunge, aber dabei fehlt das Bewusstsein für die tiefere und pragmatische Bedeutung dieser Beziehungen zwischen dem Wesen und den Dingen.