Der Kreis der Kriegstreiber: Anzahl der Sanktionen gegen Russland nach Ländern – Russland heute das meist sanktionierte Land der Welt.   | Quelle: Castellum.AI

US-Sanktions-Keulen-Drohung gegen China

Nach den Sanktionen-Keule gegen Russland, versuchen es die USA jetzt gegen China. US-Finanzministerin Janet Yellen sagte neulich im Kongress: „Am Beispiel Russlands haben wir gezeigt, dass wir in der Lage sind, aggressive Ländern mit schmerzhaften Sanktionen zu belegen. Es besteht keine Veranlassung an unserer Fähigkeit und Entschlossenheit zu zweifeln und dies nicht auf andere Situationen anzuwenden. “ Yellen antwortete auf die Frage eines Kongressabgeordneten nach möglichen Sanktionen im Falle eines „aggressiven Vorgehens Pekings gegen Taiwan“.

Die vermeintlich hohe Wirksamkeit der gemeinsamen Sanktionen von USA und EU gegen Russland scheinen Washington und Brüssel in eine wahre Euphorie versetzt zu haben. Die Schwellen nach härtesten Maßnahmen werden drastisch gesenkt, sowohl gegenüber Russland wie auch China, einem weiteren „autoritären“ Staat. Korrespondenten aus Washington und Brüssel der South China Morning Post/SCMP Hong Kongs berichten, dass sich im US-Kongress bereits neue Anti-China-Gesetze in Ausarbeitung befänden und EU-Politiker Möglichkeiten prüften, sich an möglichen Attacken gegen chinesische Staatsbanken und High-Tech-Unternehmen zu beteiligen. Der Vorwand für einen Sanktionsschlag gegen China könnten nicht nur der Angriff auf Taiwan, sondern ggf. eine vermeintlich „unzureichende Distanzierung vom Finanzsystem der Russen“ bilden. Die Korrespondenten der SCMP erinnern an die Beschlagnahme von 300 Milliarden Dollar an Währungsreserven Russlands zusammen mit der Tatsache, dass sich Chinas Finanzreserven auf 3,3 Billionen Dollar belaufen, angelegt im Westen in US-Dollar, Euro, Yen und anderen Währungen.

Die Versuchung scheint groß, auch an der chinesischen Ostfront aktiv zu werden unabhängig von der Lage an der „Westfront“ gegen Russland. Präsident Biden genehmigte zuletzt den Verkauf von zusätzlichen Patriot-Raketenabwehrsystemen über 95 Millionen Dollar an Taiwan. Dies war der zweite Vertragsabschluss innerhalb zweier Monate, nachdem schon im Februar Patriot-Systeme und Dienstleistungen zu deren Wartung über 100 Millionen Dollar an Taiwan gingen. Die Wahl besagter Lieferungen stellt keinen Zufall dar: Vor dem Hintergrund der russischen Operation in der Ukraine unterstützen die Amerikaner eine verängstigte Klientel auf der rebellischen Insel und senden zugleich ein Signal nach Peking, welches sich weigert den von den USA angestifteten Sanktionen gegen Russland zu folgen.

Ein anderes, noch viel deutlicheres Zeichen hätte der Besuch von Nancy Pelosi, der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Mitte April in Taipeh sein sollen. Doch der chinesische Außenminister Wang Yi warnte, dass ein solcher Besuch die Überschreitung einer „roten Linie“ in den Beziehungen zwischen China und den USA bedeuten würde. Die „rote Linie“ wurde nicht überschritten, weil die „First Lady des Kapitols“ gerade noch rechtzeitig an Omikron erkrankte. Dafür befindet sich die Reise von Präsident Biden nach Tokio in der Vorbereitung. Den Hintergrund dazu bildet die Bekräftigung von „Selbstverteidigungskräften“ zur Luft und See im Ost – und Südchinesischen Meer unter der militärisch-politischen Gruppierung der QUAD, gebildet von USA, Japan, Indien und Australien.

Eine „Asien-NATO“ soll nicht fehlen

Dazu hält sich Japan bereit, in den neuen AUKUS-Block einzutreten mit seinen Mitgliedern Australien, Großbritannien und Amerika heute. Tokio wird sich freuen an den Plänen zum Bau von Atom-U-Booten und Hyperschallraketen, die unter AUKUS angestrebt werden, teilnehmen zu dürfen. Im Pazifik und im Indischen Ozean entsteht ein neues System von politisch-militärischen Bündnissen, die einer defacto Asien-NATO gleichkommen.

Während die klassische NATO auf der Idee des Euro-Atlantizismus fusst, ist die Asien-NATO auf der Grundlage eines neuen Konzepts für den indopazifischen Raum konzipiert. Die geopolitische Neuheit amerikanischer Strategen zielt darauf ab, die militärischen und politischen Ressourcen des Indischen – und Pazifischen Ozeans unter Führung der USA zu bündeln, um China in Schach zu halten. Entsprechend wurde schon ein neues militärisches Kommando unter gleichlautendem Namen eingerichtet. Der Aufbau einer weiteren Flotte neben der 7. – und 5. US-Flotte ist angedacht. Die Überwachung und Kontrolle von chinesischen Kriegs- und Handelsschiffen bilden das vorläufige Ziel. Zum gegebenen Zeitpunkt könnten dann Seewege, über die bis zu 80 % der derzeitigen chinesischen Exporte und Importe abgewickelt werden, vollständig blockiert werden.

Taiwan zum „Kamikaze-Staat“ ernannt

Langfristig würden die Länder der Asien-NATO zum operativen Rückgrat einer echten Militärallianz gegen China nach dem Vorbild des europäischen Vorgehens gegen die Ukraine gemacht. Die Rolle eines Kamikaze-Staates im Zuge der kommenden Eskalationen wäre Taiwan zugedacht. Die Insel ist sich des Grades der Zuverlässigkeit ihrer Verbündeten bewusst und studiert die Erfahrungen mit der Ukraine. In Taipeh werden bereits Handbücher für die Bevölkerung gedruckt, die Grundlagen eines Guerillakriegs in den Gassen von Millionenstädten und das Überleben auf Parkplätzen von Hochhäusern kommunizieren.

Viele im Westen wurden von der Sanktionseuphorie erfasst – aber nicht alle. Ein kürzlich erschienener Artikel von Stephen Wertheim im Politmagazin „Foreign Affairs“ unter dem Titel „Bidens ukrainische Versuchung“ hat Aufmerksamkeit unter Analysten erlangt. Der Autor warnt die Administration des 46. US-Präsidenten vor einer gleichzeitigen Konfrontation von Russland und China. „Vielleicht konnte sich unser Land in den 1950er Jahren solch strategische Exzesse leisten, als die Vereinigten Staaten noch 27 Prozent des weltweiten BIP, doch die UdSSR und China zusammen nur 14 Prozent davon erwirtschafteten. Doch bereits 2020 war der Anteil der Vereinigten Staaten auf 16 % des globalen BIPs abgesunken, während China und Russland zusammen 22 % erreichten. Inzwischen übersteigt der Anteil des BIP von China alleine das BIP der USA. Es ist unwahrscheinlich, dass blosse Willenskraft die entstandene Lücke seit der Zeit des Kalten Krieges im Vergleich zu heute noch überbrücken wird können.“

Der „unvermeidbare“ Atomkrieg zwischen USA und China

Joe Biden wird in den USA bereits dafür kritisiert, dass er für den ersten Schlag das falsche Ziel gewählt und die erforderlichen Kräfte und Ressourcen gegen den vermeintlichen Hauptgegner Rotchina verzettelt hätte. Das Magazin The New Yorker veröffentlichte ein Interview mit dem renommierten Politikwissenschaftler John Mearsheimer, der in seinem Buch „Die Tragödie der Grossmachtpolitik“, die Unvermeidbarkeit eines Atomkriegs zwischen den USA und China rechtfertigt. Mit Blick auf die aktuelle Situation rund um die Ukraine vertritt er verschiedene Thesen:

  • Erstens, stelle Russland keine existenzielle Bedrohung für die USA dar.
  • Zweitens, sähe sich die USA derzeit einer ernsthaften Konkurrenz durch China gegenüber, deren Potenzial vergleichbar oder sogar größer als das der USA sei. Vor diesem Hintergrund wäre die Ablenkung Washingtons durch das Engagement für die Ukraine ein strategischer Fehler. Es untergrabe die Fähigkeit der USA, ihrer größten zivilisatorischen Bedrohung durch China widerstehen zu können.
  • Drittens, habe die USA die derzeitige Krise provoziert, was nicht in ihrem strategischen Interesse läge, doch letztlich nur China eine Basis zur Stärkung verschaffe.

Die grösste Bedrohung für das US-Establishment

Die vielleicht eindrucksvollste Aussage liessen US-Sicherheitsdienste verlauten. Im Gründungsdokument der „Nationalen Sicherheitsstrategie“, die am 3. März 2021 herauskam, gelangten die US-Sicherheitsbehörden zu einem gemeinsamen Schluss: „China ist der einzige Widersacher, der durch die Bündelung seiner wirtschaftlichen, diplomatischen, militärischen und technologischen Macht über das Potenzial verfügt, zu einer ständigen Herausforderung für ein stabiles und offenes internationales System zu werden.“

Diese Schlussfolgerung der Uniformierten wird durch Politikwissenschaftler im Zivil ergänzt: „Die wirkliche Gefahr, die von China ausgeht, ist weder militärischer noch geopolitischer, sondern ideologischer Natur. Ihr anhaltender Erfolg stellt die größte Bedrohung für Amerikas politisches Establishment dar“. Das schrieb Richard Hanania, ein Mitglied der Pentagon-Denkfabrik Defence Priorities für das Palladium Magazine.

In Erwartung eines „Ukraine-Effekts“ im Gefolge der bevorstehenden Kongress-Zwischenwahlen im Herbst und der Anschuldigungen durch Republikaner, dass die USA ihre begrenzten Kräfte vergeudeten, haben Beamte der Biden-Regierung begonnen eine Rechtfertigung zu formulieren: „Es ist hart – ss ist teuer, aber notwendig. Ich sehe aber voraus, dass wir in eine Zeit eintreten, in der dies von den Vereinigten Staaten und der jetzigen Generation von Amerikanern verlangt werden wird,“ so Kurt Campbell, Kurator für die Indo-Pazifik-Politik im Weißen Haus. Er sprach auf einem Forum, das eigens dazu einberufen worden war, um Möglichkeiten der USA auszuloten und „Russland und China gleichzeitig in die Augen zu blicken.“

Taiwan noch nicht „reif“ für den Untergang

Warum hat sich die Biden Administration dann speziell auf die Provokation gegen Russland in der Ukraine konzentriert und jene Operation der gegen China dank Taiwan vorangestellt? Darauf mag es mehrere Antworten geben:

  • Die ukrainische Situation war fast 30 Jahre lang vorbereitet worden, und nach dem letzten Vollstopfen des Landes mit Geld und Waffen galt Kiew reif für den Untergang. Erst unter Trump hatte man begonnen, Taiwan „reif“ für die Rolle eines Kamikaze zu machen. Doch ein separatistischer Aufstand bedarf mehr Zeit und viel gründlicheren Vorbereitung.
  • Eine andere Deutung hat mit Bidens Familienangelegenheiten zu tun: Sein Sohn hat in der Ukraine zu viele Spuren hinterlassen. Einzelheiten über Hunter Bidens Rolle als Finanzteilhaber im ukrainischen bakteriologischen Waffenprogramm drohten an die Oberfläche zu kommen. Solch belastendes Material droht neben Joe Biden die gesamte Demokratische Partei bei den Kongresswahlen im kommenden Herbst in grosse Bedrängnis bringen. Es wurde notwendig, die allgewärtigen Spuren des Sohnes schnell zu verwischen.
  • Die dritte Deutung ist rein psychologischer Natur: Die Russophobie der amerikanischen Eliten hat in den letzten Monaten ihren Siedepunkt erreicht und den Deckel des Kochtopfs wegfliegen lassen. Die Russophobie hat mittlerweile der Sinophobie mit ihren Hassern des Reichs der Mitte, zahlenmäßig und in Bezug auf die Durchsetzung ihrer Ziele den Rang abgelaufen. Der Wettbewerb zwischen Russophobie und Sinophobie war schon seit längerer Zeit in den Korridoren der Macht Washingtons angekommen. Die praktischen Folgen dieses Wettstreits um Einfluss und Mittel werden auf absehbare Zeit vom Verlauf und Ergebnis der Sonderoperation in der Ukraine abhängen. Längerfristig jedoch, wird die Weltlage vom Grad der Partnerschaft zwischen Moskau und Peking und ihrer Bereitschaft, neue Sonderoperationen durchzuführen – insbesondere an der Front der Finanzsouveränität – festgemacht.

(Quelle: Übersetzung aus dem Russischem: Unser Mitteleuropa, https://unser-mitteleuropa.com/die-usa-und-ihre-vasallen-im-totalen-krieg-der-sanktionen)