Michael Brandtner: Absatzmarkt für deutsche Biermarken in China

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Deutsche Marken sind für Chinesen oft Statussymbole und heiß begehrt – das gilt jedenfalls für Autos und Modelabels. Bei den deutschen Bierbrauern scheint diese Erkenntnis noch nicht angekommen zu sein. Beim Export ihrer Marken könnten sie dem Vorbild eines belgischen Bierbrauers folgen.

Kürzlich hielt ich in Shanghai im Rahmen eines globalen Partnermeetings und Kongresses von Ries Global einen Vortrag zum Thema “Positionierung von chinesischen Marken in Europa”. Dabei blieb es natürlich nicht aus, dass wir im Rahmen unseres Treffens mehrmals gemeinsam Abendessen gingen.

Dabei eröffnete sich ein interessanter Spannungsbogen beim Blick in die Speisekarten. Denn obwohl Deutschland in China und speziell auch bei Bier einen sehr hohen Stellenwert genießt, findet man in den Speisekarten keine deutsche Biermarke. Vielmehr lesen sich diese in vielen oder sogar den meisten Fällen so: Budweiser, Heineken, Carlsberg, Guiness, Corona und Tsingtao. Manchmal findet man auch Pilsner Urquell.

Speziell interessant dabei ist vor allem auch, dass sich Tsingtao, die zweitgrößte chinesische Brauerei, sehr erfolgreich in ihrer Positionierung und Selbstdarstellung auf ihre deutschen Wurzeln beruft: Die Brauerei wurde 1903 von Deutschen als Germania-Brauerei in Kiautschou gegründet. So gesehen verstehen es anscheinend die chinesischen Bierbrauer besser, den deutschen Country-of-Origin-Effekt für die Markenpositionierung zu nutzen als die deutschen Brauereien, wenn man einmal von Paulaner absieht.

In den Markenmodus wechseln

Zwar kommt das meiste Importbier in China aus Deutschland, die führende Importmarke aber ist Corona. Die deutschen Brauer dürften – so gesehen – mehr im Export- als im Markenmodus unterwegs sein. Ganz anders sieht es auf den Straßen von Shanghai aus. Hier sind die deutschen Automarken wie Audi, BMW, Mercedes oder VW nicht mehr wegzudenken.

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Die deutschen Automarken nutzen perfekt den sogenannten Country-of-Origin-Effekt, also das Gesamtimage von Deutschland in China. Gleichzeitig natürlich verstärken sie diesen Effekt zusätzlich durch ihre eigene Markt- und vor allem Markenpräsenz. So verbinden die Chinesen laut einer Huawei-Studie aus dem Jahr 2016 mit Deutschland vor allem starke Wirtschaft (64 Prozent), Automobilindustrie (34 Prozent) und Industrie/Technologie (30 Prozent). In Summe kennen laut dieser Studie 89 Prozent der Chinesen BMW, gefolgt von Mercedes (88 Prozent) und Volkswagen (87 Prozent).

Von Stella Artois lernen

Bei Bier dürfte es ganz anders aussehen. Hier wird der chinesische Markt zu 80 Prozent von fünf Brauereien dominiert: Carlsberg China, China Resources Snow Breweries, Anheuser-Bush InBev, Tsingtao Brewery und Beijing Yangjin Beer. Das ist mit Sicherheit keine leichte Ausgangsposition, um vom Expert- in den Markenmodus zu wechseln und um gegen Budweiser, Heineken, Carslberg, Guniness und Corona eine starke Marke zu bauen.

Strategisch gesehen – vor allem auch in Bezug auf die Vorgehensweise – könnte man dabei einiges vom Markteintritt von Stella Artois in den USA lernen. Bei der Einführung dieser Biermarke im Jahr 1999 limitierte die belgische Brauerei Interbrew, die Stella Artois braut, die Distribution auf die 20 exklusivsten Bars und Clubs in Manhattan. Darüber hinaus verlangte man um fast 20 Prozent mehr für ein Fass als der holländische Mitbewerber für ein Fass Heineken verlangte.

Goldgeränderte Gläser statt Plastikbecher

Dazu gehörte jede Menge Mut, denn in Belgien ist Stella – ähnlich wie Bud in den USA – ein ganz gewöhnliches Bier, so gewöhnlich, dass es auch in Fastfoodrestaurants in Plastikbechern verkauft wird. Anders in den USA: Hier gab es keine Plastikbecher für Stella Artois. Interbrew stattete die Bars mit den einzigartigen kelchförmigen Stella-Artois-Gläsern mit dem typischen Goldrand aus. Zusätzlich gab es noch eine Lektion in Stella-Bieretikette: Das Bier muss genau zwischen vier und sechs Grad Celsius serviert werden und der Schaum muss mit einem Löffel abrasiert werden.

Nachdem so die Basis für die Marke gelegt war, startete Stella Artois dann voll durch. Zuerst weitete man die Distribution in den USA in der Gastronomie national aus, um dann auch die Supermärkte und andere Vertriebsschienen zu bedienen. Heute ist Stella Artois eine der zehn meistverkauften Importbiermarken in den USA. Nicht unähnlich ging und geht auch Red Bull vor, wenn man neue Märkte erobert.

Drei Schritte zur starken Marke in China

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Das heißt: Wenn man heute erfolgreich China betreten möchte, sollte man a) zuerst auf eine klare verbale und authentische Positionierung setzen, die zudem die deutsche Herkunft perfekt nutzt. Das wäre etwa die ideale Basis für Krombacher als Marktführer oder Radeberger als erste deutsche Brauerei, die nach Pilsener Art braute. Im Idealfall findet man b) dazu eine visuelle Positionierung, die ebenfalls die deutsche Herkunft mitkommuniziert und damit die verbale Positionierung verstärkt. Corona etwa macht dies perfekt mit der Limette, um sich so auch visuell als das mexikanische Bier zu positionieren. Und c) sollte man dann darauf aufbauend á la Stella Artois ein Schritt-für-Schritt-Markenprogramm entwickeln und umsetzen.

Michael Brandtner ist Österreichs führender Markenpositionierungsexperte und Associate of Ries Global. Im Herbst 2019 erschien sein neues Buch „Markenpositionierung im 21. Jahrhundert“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com

(Quelle: China: Wo sind die deutschen Biermarken? › absatzwirtschaft)