Interview mit Steffen Kotré, Wirtschafts- und Energiepolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Ossenkopp: Wie ist das Thema Nord Stream bisher im Bundestag behandelt worden?
Kotré: Vor etwa einem Jahr haben wir eine „Aktuelle Stunde“ zum Thema Nord Stream eingebracht. Dabei hat sich herauskristallisiert, dass alle anderen Parteien dort auch den Vorteil von Nord Stream 2 gesehen haben und das Projekt auch zu Ende bringen wollen – bis auf die Grünen. Wobei die Grünen nicht gesagt haben ‚Wir wollen es nicht‘, sondern Herr Trittin hat sich nur nicht dazu geäußert. Man weiß aber, dass sie Nord Stream 2 am liebsten beerdigen würden. Sie tun auch keinen Handschlag für das Projekt. Dann spitzte sich das weiter zu, und ich habe im Dezember die Bundeskanzlerin in einer „Fragestunde“ gefragt, ob sie wieder zurückweichen will vor den USA und deren unverschämten Forderungen, wie z.B. bei der NSA-Abhöraffäre. Damals wurde nichts gemacht, außer dass man mal kurz den Zeigefinger gehoben hat und das war’s dann. Da hat sie gesagt ‚Wir werden Gespräche führen‘. Auch Minister Altmaier sagte im Ausschuss, man wolle ‚Gespräche führen‘. Dann hatten wir aber Anfang Juli 2020 eine Anhörung zu Nord Stream 2 und der Sicherung des Projektes im Zusammenhang mit den neuesten Entwicklungen in den USA. Da war Altkanzler Schröder der einzige, der ganz knallhart zurecht sagte, dass nur Gegenmaßnahmen, also Gegensanktionen, helfen würden. Der muss das politische Geschäft und die US-Amerikanische Politik kennen. Wenn er sagt ‚Nur das wird helfen‘, dann denke ich das auch.
Ossenkopp: Es gab dann die Befürchtung, dass sich das zu einem Schlagabtausch und einem richtigen Handelskrieg ausweitet.
Kotré: Genau, das ist ja die Argumentation der Hasenfüße, die immer nur zurückweichen. Aber ich halte das für falsch, weil eine neue Qualität erreicht ist, nämlich die der extraterritorialen Wirkung von US-Gesetzen, denen durchaus Elemente des Wirtschaftskrieges innewohnen. Wenn ich mit solchen Methoden mein Flüssiggas in Europa absetzen möchte, dann ist das nicht mehr durch den freien Wettbewerb und nicht mehr durch die internationalen Handelsbeziehungen und Übereinkünfte gedeckt. Sondern dann ist das fast schon kriminell.
Ossenkopp: Was könnte man als Gegensanktionen machen? Den Bau der LNG-Terminals stoppen?
Kotré: Das sowieso. Ich frage mich, warum wir eine teure Gas-Lösung noch subventionieren, also warum wir die Anschlussleitungen und vieles mehr vom Gas-Kunden bzw. vom Steuerzahler bezahlen lassen sollten. Erdgas aus Russland ist unschlagbar günstig. Mehr brauchen wir nicht. Natürlich kann man auch Terminals gebrauchen, aber die haben wir, zwar nicht in Deutschland, aber in den Niederlanden und Polen. Im Zweifel kann man auch durchaus dort anlanden und die Gasversorgung damit diversifizieren. Ich würde schon auch die Protagonisten der Sanktionen mit Einreiseverbot zumindest nach Deutschland belegen. Ich würde auch sagen, dass man den wirtschaftlichen Schaden, den die anrichten, ihnen auch aufrechnet. Es gibt vom Handelsblatt eine Berechnung, dass der Gas-Kunde 1-2 Milliarden Euro draufzahlt für jedes Jahr, in dem Nord Stream 2 nicht ans Netz geht. Den anderen Europäischen Staaten, die auch gegen das Projekt sind, muss man unmissverständlich klar machen, dass es so nicht funktioniert. Wenn die Polen meinen, das Projekt torpedieren zu müssen, muss man mit ihnen reden. Die können sich nicht als Büttel der USA einspannen lassen und ihre eigenen Ziele verfolgen.
Ossenkopp: Einer der Verfasser des Briefes gegen Nord Stream 2, Senator Cruz, ist ja gut mit den Erdöl- und Erdgaskonzernen in Texas verbunden.
Kotré: Da haben wir’s ja. Es sind einfach nur wirtschaftliche Interessen, die mit unfairen Mitteln verfolgt werden. Man muss an dieser Stelle auch sagen, wenn Trump diese Politik übernimmt, dass wir keine Gas-Importe aus den USA zulassen. Das wäre zumindest der erste Schuss vor den Bug, und dann muss man sehen, ob das fruchtet.
Ossenkopp: Einige US-Abgeordnete sind mit der geheimdienstlichen Ebene verbunden ist. Es gibt also neben den wirtschaftlichen eventuell auch andere Druckmittel.
Kotré: Da sind wir sowieso an dem Knackpunkt, wo das eigentliche Grundproblem ist. Deutschland handelt nicht souverän. Deutschland lässt sich bevormunden. Wir haben diesen großen Spionageknoten in Frankfurt, worüber alle Daten laufen. Wir haben das SWIFT-Abkommen, wo die USA einfach so reinschauen dürfen. Flugdaten? Warum eigentlich? Man muss zwar zusammenarbeiten bei der internationalen Terrorabwehr, aber doch nicht so einseitig. Deutschland und Europa handeln nicht souverän. Wenn Deutschland und Europa souverän handeln würden, wären viele Dinge auch anders. Hier geht es um Partnerschaft auf Augenhöhe, die eben so aufgrund der deutschen Feigheit nicht stattfindet.
Ossenkopp: Es gibt zwei Achillesfersen: die Energiewende macht unsere Energieversorgung vom Wetter abhängig, wobei man Erdgas hinzuschalten will. Das zweite ist, dass die Erdgasproduktion in Europa geschlossen wird. Wir schießen uns offenbar auch ins eigene Bein.
Kotré: Ja klar. Die Energiewende ist gescheitert. Man hätte sie gar nicht anfangen dürfen, ohne wenigstens die technologischen Voraussetzungen zu schaffen wie die Speicherung von Strom. Wind- und Sonnenstrom sind instabil und man muss den Strom quasi indirekt speichern. Das hätte man erstmal sichern müssen. Dann hätte man es durchrechnen müssen. Das ist beides nicht passiert. Die Grundlagen fehlen und eine Kostenkalkulation fehlt. Das läuft jetzt aus dem Ruder! Die Versorgungssicherheit bricht weg. Wir haben ja das energiepolitische Zieldreieck ‚Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit, wettbewerbsfähige Energiepreise‘. Das ist schon längst aus dem Ruder. Wir haben eine Preissteigerung, die sich gewaschen hat, und wir haben Umweltzerstörung durch die Energieanlagen. Insofern ist die Energiewende volkswirtschaftliche sehr sehr schädlich. Und ja, Gas könnte in dieser Situation zwar helfen, aber neue Gaskraftwerke entstehen erstmal nicht, denn die Investitionskosten fasst keiner mehr an. Das zweite Argument war immer, dass Stromimporte unsere Lücke schließen würde. Stromimporte werden so auch nicht mehr stattfinden. Im Januar gibt es immer einen Tag, wo man sagt, da ist die größte statistische Lücke zwischen Stromproduktion und Bedarf. Im Januar werden jedoch alle anderen um uns herum ebenfalls Strom brauchen, vor allem die Franzosen mit ihren Stromheizungen. Das heißt, hier haben wir eine Lücke und selbst die Netzbetreiber können nicht erklären, wie die geschlossen werden soll. Gas kann an der einen oder anderen Stelle helfen.
Ossenkopp: Jetzt kommt noch der angebliche Vergiftungfall von Nawalny hinzu. Will man hier nicht eine weitere Stufe der Eskalation beschreiten?
Kotré: Ja klar. Wir haben mit Röttgen russland-unfreundliche Politiker, die verhindern, dass Deutschland souverän handelt und die Deutschland volkwirtschaftlich extrem schaden, indem sie gegen Nord Stream 2 schießen. Es ist völlig klar, dass sie Verbindungen konstruieren, die nicht existieren. Natürlich ist der Anschlag kriminell. Wenn sich herausstellen würde, dass russische Behörden dahinterstecken, dann geht das natürlich nicht – ob in Russland, im Westen oder irgendwo auf der Welt. Dann muss man darauf durchaus reagieren. Nur davon jetzt Nord Stream 2 abhängig zu machen, ist völlig falsch. Dann dürfte man auch mit China oder der Hälfte der Welt keine Geschäfte machen. Wir haben es hier mit vorgeschobenen Gründen zu tun. Bei Nawalny ist natürlich noch interessant – und das sagt keiner, der ihn in gutmenschlicher Weise zitiert und unterstützt: er hat auch einmal von, ich glaube, Kaukasiern als ‚Kakerlaken‘ gesprochen. Ich will das nicht schönreden oder bewerten. Ich will nur sagen, dass Nawalny benutzt wird. Das ist durchaus ein schmutziges Geschäft.
Ossenkopp: Was halten Sie von Russlands Reaktionen?
Kotré: Die schütteln zurecht mit dem Kopf. Zuerst einmal müssen Beweise auf den Tisch. Eine Vergiftung hat wohl stattgefunden, ja, aber wer ist dafür verantwortlich? Es gibt jetzt auch wieder Stimmen, die sagen, dass durchaus auch ganz andere dahinterstehen können, die wollte, dass es genau zu solch einer Situation kommt. Das ist aber nur eine Mutmaßung. Ich weiß nichts davon, aber theoretisch ist es denkbar. Wenn ich das aber von vornherein ausschließe, dann mache ich mich bei der Argumentation angreifbar.
(Quelle: Wikipedia / Bundestag.de)