Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam, Zusammenleben im 21 Jahrhundert?

Kambodscha, Laos, Myanmar, Thailand und Vietnam sind fünf Länder Südostasiens, die durch eine intensive gemeinsame Geschichte (Allianzen, Kriege und Herrschaft) miteinander verbunden sind. Trotz ihrer relativ geringen Größe (mit 1.940.000 km2 nur so groß wie Mexiko) und einer Bevölkerung (mit etwa 245 Millionen Einwohnern etwas mehr als Pakistan) hatten sie vor allem im 20. Jahrhundert großen Einfluss auf die Politik des Kontinents und der Welt: Vietnamkriege, Völkermord in Kambodscha usw. Heute, vom Kalten Krieg zwischen den USA und China betroffen, träumen diese 5 Länder von einer Union nach europäischem Beispiel.

Jacques Thai Son Nguyen ist einer jener Intellektuellen, der die Vision hat, eine solche „Gruppe der Weisen“ für Frieden und Zusammenarbeit in Südostasien zu schaffen. Er ist ein Neffe von General Giap, dem legendären vietnamesischen Militärführer (der von seinen Freunden und – sogar – von seinen Feinden bewundert wird), der 1954 die französischen Expeditionsstreitkräfte bei Dien Bien Phu und 1975 die US-Armeen besiegte. Herr Nguyen entdeckte schon in jungen Jahren, dass Diplomatie (nicht Krieg) das Hauptelement bei der Schaffung regionaler Zusammenarbeit in einer multilateralen Welt sein muss.

Er ist Staatsbürger der Französischen Republik und somit EU-Bürger. Heute, als Professor im Ruhestand, verfolgt er seine Idee einer solchen „Gruppe der Weisen“ und hat beschlossen, Gleichgesinnte in Brüssel, der Hauptstadt der Europäischen Union, an dieser Idee teilhaben zu lasen. Hier stellt er sie im Gespräch mit LHCH vor.

LHCH: Was sind die geopolitischen Fragen bezüglich dieser fünf ASEAN-Länder, die der chinesischen Grenze am nächsten liegen?

Thai Son Nguyen: Die 10 ASEAN-Länder haben eine Bevölkerung von fast 650 Millionen Menschen. Mit China hätten wir in diesem nun neuralgischen Wirtschaftszentrum der Erde insgesamt 2 Milliarden Menschen. Es steht viel auf dem Spiel. Wer dieses Gebiet beherrscht, wird die Welt beherrschen. In diesem Zusammenhang beobachten sich China und die Vereinigten Staaten gegenseitig mit großem Argwohn. Dies führt zu enormen Spannungen in Südostasien.

LHCH: Zum Beispiel?

Thaï Son Nguyen: Der Pazifik ist seit Obama der neue geopolitische Deal für Washington. Die Vereinigten Staaten schicken ständig Schiffe ins Chinesische Meer. China reagiert abwechselnd provokativ und beschwichtigend. Es besteht die Gefahr eines Konflikts, der sich durch die Bündnissysteme dieser beiden Giganten auf die ganze Welt ausweiten könnte. Wir müssen heute etwas für den Frieden tun.

LHCH: Wie soll das aussehen?

Thaï Son Nguyen: In Anlehnung an die Gründerväter Europas, Schuman und Monet, mit der Schaffung eines Ausschusses für die Europäische Union in den 1950er Jahren, nach dem Zweiten Weltkrieg.

LHCH: ASEAN existiert bereits. Warum diese Vereinigung von 5 in der „Gruppe der Weisen“?

Thai Son Nguyen: Es ist eine Wirtschaftsunion, hinter der sich viele interne Konflikte verbergen. Zum Beispiel hatten Laos, Kambodscha und Vietnam im 20. Jahrhundert eine eigene Geschichte. Vor allem aber sehe ich Versuche der Spaltung durch ausländische Mächte. Damit meine ich in erster Linie die USA und China. Hier fehlt uns eine gemeinsame Vision für die Zukunft. In all diesen Jahren fehlte ein Aspekt: wie man ein gemeinsames Verständnis schaffen kann, das auf gemeinsamem Lernen und gegenseitigem Respekt beruht. Wie können wir eine Perspektive für ein friedliches Zusammenleben schaffen? Eine Möglichkeit wäre die Schaffung einer „Gruppe der Weisen“ – Frauen und Männer, die durch ihre lebenslangen Leistungen die notwendige Glaubwürdigkeit erlangt haben, um Vorurteile, Eroberung, Gewalt, Missverständnisse und Fehlinterpretationen zu überwinden. .

LHCH: Was wünschen Sie sich?

Thai Son Nguyen: ein Südostasien mit einer starken Identität, selbstbewusst und unabhängig, könnte die beiden Mächte durch seine Neutralität beruhigen. Die USA und China konkurrieren miteinander, haben Angst voreinander, weil sie sich beide vorstellen, dass wir schwach sind und deshalb Gefahr laufen, in das eine oder das andere Lager zu fallen. Jedem sollte klar sein, dass wir weder den einen noch den anderen Weg gehen werden. Mit der Hilfe Europas, seines Modells, wollen wir Frieden und Wohlstand erreichen.

LHCH: Sollte Europa sich nicht zuerst selbst helfen? Es steckt fest zwischen einem alten, unbeherrschbaren Verbündeten, den Vereinigten Staaten, die weiterhin starken Druck auf das Land ausüben, und der Versuchung, sich China gegenüber zu öffnen, insbesondere durch die neuen Seidenstraßen.

Thai Son Nguyen: Ja, das gleiche Schicksal. Aber ASEAN befindet sich in einer weitaus schmerzhafteren und gefährlicheren Situation als Europa, wo es institutionelle, wirtschaftliche und teilweise auch politische Stabilität gibt. Es ist nicht so fragil wie wir, was den Einfluss der beiden Giganten auf seine Zukunft betrifft. ASEAN ist nur ein gemeinsamer Markt, ohne politische Vision.

LHCH: Arbeiten Sie an der Idee gemeinsamer Erinnerungen, einer Schicksalsgemeinschaft in Südostasien?

Thai Son Nguyen: In der Tat wurde unsere Geschichte in jedem Land auf unterschiedliche Weise gelehrt. Aber seit der Gründung von ASEAN bemühen wir uns, diese unterschiedlichen Versionen über die Medien und die sozialen Netzwerke zusammenzubringen. Wir könnten uns zum Beispiel mit der Geschichte des ehemals französischen Indochina befassen, wo der Buddhismus sehr einflussreich ist. Man könnte auch den kulturellen Einfluss des Islam in anderen Ländern untersuchen.

LHCH: Warum nicht auch mit China wieder engere friedliche und kulturelle Beziehungen anbahnen? So wird beispielsweise die chinesische Medizin in ganz Südostasien praktiziert.

Thai Son Nguyen: natürlich. Vor allem unter dem Gesichtspunkt der Gesundheit der armen Menschen. Aber vor allem wollen wir Frieden und Stabilität. Kulturelle Aktivitäten werden folgen.