Wir identifizieren neue Potenziale, entwickeln sie und setzen sie um

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DAS WIRKLICHE CHINA KENNENLERNEN – Das Europäische Institut für Asien-Studien (EIAS)

Da in diesem Jahr der 45. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der EU und China begangen wird, erörtert und reflektiert der EIAS-Geschäftsführer Axel Goethals in einem Interview mit der LHCH den aktuellen Stand der Dinge sowie die Herausforderungen und Chancen in der Beziehung zwischen den beiden Regionen.

Können Sie uns etwas über das EIAS und Ihre Arbeit erzählen?

Das EIAS wurde 1989 als Institut für politische Forschung gegründet. Zu unseren Mitarbeitern gehören eine Reihe von Personen, die seit vielen Jahren und in verschiedenen Regionen mit Asien zu tun haben, mit Ostasien, Südostasien, Südasien und Zentralasien. Unsere Arbeit ist besonders interessant, weil wir der Meinung sind, dass ein Think Tank „bahnbrechend“ sein sollte, das heißt, dass er neue und langfristige Möglichkeiten der Zusammenarbeit in den Beziehungen zwischen der EU und Asien identifizieren sollte. Darüber hinaus identifizieren wir diese neuen Möglichkeiten nicht nur, sondern wir entwickeln sie auch und setzen sie um. Wir sind der Meinung, dass ein Think Tank sowohl bahnbrechend in Bezug auf Ideen sein als auch diese praktisch umsetzen sollte, sonst verkommt er zur Fachsimpelei.

Der Schwerpunkt des EIAS lag schon immer auf Ostasien und auch auf China. Tatsächlich haben sich viele beim EIAS tätige Leute seit den 1960er und 1970er Jahren mit Asien beschäftigt (mich eingeschlossen). Mein erster Besuch in China fand in den 70er Jahren statt, und seitdem habe ich die Region häufig besucht. Ich muss sagen, dass wir in China in den letzten 50 Jahren enorme Erfolge beobachtet haben. Natürlich ist nichts vollkommen, und es gibt noch viel Raum für Verbesserungen, aber das gilt auch für Europa.

Wie sehen Sie die Beziehungen zwischen der EU und China?

Ich denke, es lassen sich zwischen der EU und China viele Parallelen ziehen. Die EU an sich ist eine sehr gute Initiative, aber wir haben auch noch einen langen Weg vor uns. Allerdings gibt es in der EU immer die Tendenz, anderen Ländern zu sagen, wie sie sich verhalten oder was sie besser machen sollen. Ich glaube, wir haben zu Hause genug Themen, die vorrangig behandelt werden sollten. Deshalb sollten wir uns zuerst auf uns selbst konzentrieren, wie z.B. auf das gute Funktionieren der EU, sowohl politisch, sozial als auch wirtschaftlich, bevor wir anderen sagen, was sie tun sollen.

Was China betrifft, so hat das Land einen anderen Ansatz und ein anderes System. Eine wesentliche Beobachtung ist, dass wir in den letzten 50 Jahren einen großen Aufschwung der gesamten Gesellschaft erlebt haben. Es bleibt noch viel zu tun, aber die Ergebnisse sind recht beeindruckend.

Angesichts der zunehmend angespannten Beziehungen zwischen den USA und China ist es nicht Sache der EU, ein bestimmtes Land einem anderen vorzuziehen. Wir sollten in der Beziehung zu China unseren eigenen, europäischen Ansatz entwickeln und nicht vergessen, dass die EU für Peking sowohl der größte Markt als auch der größte Handelspartner bleibt.

Die Tatsache, dass sich die EU aus 27 unterschiedlichen Mitgliedsstaaten zusammensetzt – jeder mit seiner eigenen Stimme, während die EU als einheitlicher Block agiert – kann im Vergleich zu anderen globalen Hauptakteuren eher verwirrend oder schwach erscheinen. Diese Vielfalt der Stimmen kann jedoch auch eine Stärke sein. Im Umgang mit der EU sollte China besonders darauf achten, mit der EU als Block zu verhandeln, und nicht den Fehler machen, mit den Mitgliedsstaaten einzeln zu verhandeln. Dies würde möglicherweise zu einer negativen Wahrnehmung in Brüssel führen, wo China dann vielleicht als Land wahrgenommen wird, das ein anderes Spiel spielt. Die EU ist ihrerseits darum bemüht, keine Abkommen mit den chinesischen Provinzen statt mit der Zentralregierung abzuschließen, und sie verlangt daher von China das gleiche. Wenn China mit der EU Geschäfte machen will, ist es wichtig, dass es sein Augenmerk weiterhin auf die EU richtet.

Was sind Ihrer Meinung nach die Prioritäten in der Beziehung zwischen der EU und China während der deutschen Ratspräsidentschaft der Europäischen Union?

Der EU-China-Gipfel in Leipzig wurde verschoben, stattdessen fand am Montag, den 14. September, ein virtuelles Treffen statt. Aber ein virtuelles Treffen auf dieser Ebene kann niemals ein reales Treffen ersetzen, und wir hoffen, dass noch während der deutschen Präsidentschaft ein persönliches Gipfeltreffen in Leipzig stattfinden kann. Auch wenn die Präsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte immer etwas kürzer ist als in der ersten (wegen der Sommer- und der Weihnachtspause), enthält die deutsche Agenda einige wichtige Punkte zu China:

1)    Die Notwendigkeit, das umfassende Investitionsabkommen (CAI) zwischen der EU und China zum Abschluss zu bringen. Es wäre ein sehr wichtiger Schritt, wenn das CAI während der deutschen Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden könnte, da es für beide Seiten eine bedeutende Vereinbarung ist.

2)    Vorantreiben der EU-China-Agenda 2025: Diese Strategie ist längerfristig angelegt und behandelt Themen wie gute Regierungsführung, Transparenz, fairer Wettbewerb, Gegenseitigkeit usw.

Aufgrund der neuen Spannungen zwischen den USA und China besteht die Möglichkeit, Abkommen zwischen der EU und China abzuschließen, die einen soliden Rahmen schaffen sollen, auf den sich die Geschäftswelt verlassen kann. Im Geschäftsleben unterscheiden sich das chinesische Wirtschaftsmodell, die Denkweise und der Ansatz Chinas von dem in der EU. Deshalb ist es wichtig, dass wir Europäer uns bemühen, die chinesische Vorgehensweise zu verstehen, anstatt sie zu kritisieren oder anzuprangern. Insgesamt wäre es bereits eine große Leistung, wenn während der deutschen Ratspräsidentschaft diese beiden oben genannten Hauptpunkte erfolgreich abgeschlossen werden könnten.  

Sollte die EU im Umgang mit China wirtschaftliche und politische Fragen trennen?

Ich denke, die EU sollte sich auf ihre eigene Agenda konzentrieren, so wie die Vereinigten Staaten ihre eigene Agenda haben. Wir sind als Block stark genug und wirtschaftlich klug, und so brauchen wir keine Angst vor uns selbst zu haben. Wir sollten im Umgang mit China politische und wirtschaftliche Fragen trennen und dabei die innenpolitischen Errungenschaften berücksichtigen, die wir seit 1945 erreicht haben – auf beiden Seiten. Die EU und China sind natürliche Partner, und als solche sollten wir uns auf die positiven und konstruktiven Seiten konzentrieren.