Von Martin Murphy u. Stephan Scheuer (www.Handelsblatt.com)

Die Telekom verlangt Chancengleichheit gegenüber den Technologiegiganten aus den USA und China. Gleichzeitig kooperiert sie selbst mit den Anbietern und verdient Geld damit.

Wolkige Geschäfte Das Cloud-Computing hat sich in der deutschen Wirtschaft durchgesetzt – aber davon profitieren maßgeblich amerikanische Konzerne. Bild: dpa

Der Datenschutzbeirat der Deutschen Telekom hat erstmals eine klare Position zum Thema digitale Souveränität in Europa bezogen. In einem Grundsatzpapier findet das Gremium harte Worte für US-Cloud-Anbieter wie Amazon, Microsoft und Google, allerdings ohne die Firmen namentlich zu nennen. Hyperscaler – so werden diese Firmen in Fachkreisen genannt – agierten als übernationale Instanzen und oft nach ihren eigenen Regeln, heißt es in dem Papier. „Sie dominieren den Weltmarkt.“

Firmen wie die Telekom, Telefónica oder France Telecom bleiben da außen vor: „Europäische Anbieter spielen im globalen Markt bisher nur eine untergeordnete Rolle“, beklagt die Telekom. Den Beirat hatte der Konzern auch ins Leben gerufen, um seinen Kunden den Schutz persönlicher Daten zu garantieren.

Die Runde ist mit Vorstandschef Timotheus Höttges, dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Lehner und dem früheren Datenschützer des Bundes, Peter Schaar, hochrangig besetzt. Bislang hatte sich das Gremium mit öffentlichen Äußerungen zurückgehalten.

Der Handlungsdruck ist groß: Der Vorsitzende des Beirats, Lothar Schröder, sieht das Papier als Mahnung: „Ich möchte nicht, dass wir in Europa von China oder den USA abhängig werden“, sagte er dem Handelsblatt. „China könnte die Daten für Spitzeleien nutzen, und einige große Technologiefirmen aus den USA sind reinste Datenkraken.“ Europa müsse daher eine eigenständige und selbstbewusste Haltung entwickeln.

Schröder und seine Mitstreiter von der Telekom sorgen sich, dass Europa zu einer „digitalen Kolonie“ werden könnte, „in der amerikanische und chinesische Unternehmen mittels personalisierter Geschäftsmodelle personenbezogene Daten schürfen und auf fragwürdiger rechtlicher Grundlage nutzen“.

Den europäischen Regierungen wirft das Gremium vor, die heimischen Firmen mit unfairer Regulierung zurückzuhalten. Europäische Telekommunikationsfirmen wie die Telekom müssten sich an strengere Auflagen als Cloud-Anbieter halten, hieß es. Dabei seien „Internet- und Cloud-Anbieter längst auch Anbieter von Telekommunikationsdiensten.“ Amazon etwa bietet entsprechende Leistungen an. Die Aufsichtsbehörden ignorierten diese Entwicklung indes, sagte Schröder. „Wir haben so einen erheblichen Wettbewerbsnachteil.“

Telekom fordert konsequentere Umsetzung der DSGVO

Zudem werde die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nicht ausreichend umgesetzt. Eine große Zahl von Unternehmen halte sich bislang „faktisch nicht oder nur unzureichend an die Vorgaben der DSGVO“, kritisierte der Konzernkreis. Das Gremium mahnte eine nachdrückliche Umsetzung der Regeln an.

Die europäische Cloud-Initiative Gaia-X sei der richtige Weg. „Das kann aber nur gelingen, wenn öffentliche Stellen und Regierungsorganisationen als Nachfrager auftreten, die ihre Vergabeentscheidungen nicht nur an Kostengesichtspunkten orientieren“, forderte das Gremium. Viele Unternehmen unter anderem aus der Autoindustrie haben angekündigt, sich an Gaia-X zu beteiligen. Bislang sind es aber lediglich Ankündigungen.

Gaia-X soll den Datenaustausch über die Grenzen einzelner Cloud-Rechenzentren hinweg weiter fördern. Die Mitgliedsunternehmen, darunter die Deutsche Telekom, OVH und SAP, wollen standardisierte Datenformate sowie zentrale Dienste für die Zusammenarbeit entwickeln. Konkrete Anwendungen fehlen bislang jedoch.

Auch wenn Schröder betont, dass es dem Datenschutzbeirat um die Sache geht, so verfolgt die Telekom mit dem Drängen auf den Aufbau einer digitalen Souveränität Europas auch eigene Interessen. Der Bonner Konzern bietet Kunden in Deutschland selbst Cloud-Dienste von Amazon, Microsoft und Google an. Die Großkundentochter T-Systems hatte Mitte Februar die Initiative „Cloud First“ gestartet und dafür die Zusammenarbeit mit Amazon und Microsoft weiter vertieft.

Das Cloud-Geschäft wächst – auch bei der Telekom. Allein im vergangenen Jahr seien die Cloud-Umsätze um 30 Prozent gewachsen, sagte Höttges kürzlich. Der Umsatz mit Cloud-Diensten betrug 600 Millionen Euro. Allerdings sind darin auch die Umsätze aus dem Verkauf von Lösungen von Amazon, Microsoft und anderen Partnern eingerechnet. Die Umsätze mit der eigenen Telekom-Cloud schlüsselt der Dax-Konzern nicht auf.

Telekom kooperiert selbst mit Amazon und Co.

Zudem ist das eigene Cloud-Angebot der Telekom umstritten. Der Dax-Konzern warb bei der Einführung der Open Telekom Cloud zwar mit dem „strengen deutschen Datenschutz“, setzte beim Aufbau aber von Anfang an auf den umstrittenen chinesischen Technologiekonzern Huawei als wichtigen Partner. Nach Handelsblatt-Informationen sorgte das bei Kunden – darunter die Bundesregierung – für Bedenken.

Das Analysehause Synergy hat sich den Cloud-Markt in Europa in einer Analyse näher angeschaut. Dabei kürten sie zwar die Deutsche Telekom zum größten europäischen Cloud-Anbieter. Der Dax-Konzern kam aber lediglich auf einen Marktanteil von zwei Prozent. Zwei Drittel des Geschäfts machen hingegen die US-Anbieter Amazon, Microsoft und Google unter sich aus.

Während der Markt insgesamt wächst, profitieren europäische Dienste davon kaum. Allein zwischen Anfang 2017 und dem dritten Quartal des vergangenen Jahres hat sich der Umsatz dieses Segments in Europa mit 5,9 Milliarden Euro mehr als verdreifacht, wie Synergy-Chefanalyst John Dinsdale und sein Team ermittelt haben. Der Anteil der europäischen Cloud-Dienste ging jedoch von 26 Prozent auf 16 Prozent zurück.

Dinsdale bezweifelte, dass eine stärkere Regulierung etwas an der Entwicklung ändern könnte. Der technologische Vorsprung der US-Anbieter sei sehr groß.

(Quelle: Telekom warnt: Europa droht zur „digitalen Kolonie“ zu werden – handelsblatt)