3.9 C
Berlin
Thursday, November 14, 2024
spot_img
Home Blog Page 261

Europa trifft mit seiner Leidenschaft für die Kreislaufwirtschaft auf China

0

Ein Interview der LHCH Mit Frank Schwalba-Hoth.

China und Europa beschäftigt schon seit langem die Frage danach, ob es einen Weg gibt, umweltverantwortlich und zukunftsorientiert zu handeln und dabei gleichzeitig weiter zu produzieren und zu konsumieren. Fakt ist, dass die bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse hierzu nicht in der Lage sind. Europa und China arbeiten daher parallel an einem Prinzip für die Kreislaufwirtschaft (Circular Econmy), das einerseits Müll vermeidet und andererseits das Recycling von Wertstoffen fördert.

Im Folgenden lesen Sie das Interview der LHCH mit Frank Schwalba-Hoth (FSH), dem Mitbegründer der deutschen Grünen und nicht-exekutiver Vizepräsident der World Green Design Organization, einer chinesischen Initiative für Kreislaufwirtschaft, deren Jahreskonferenz er in Brüssel organisiert.

LHCH: Vielen Dank Herr Schwalba-Hoth, dass Sie heute bei uns sind. Ich möchte Sie unseren Lesern zunächst kurz vorstellen. Sie waren nicht nur 1980 einer der Gründer der Partei Die Grünen, der ersten institutionalisierten Umweltpartei in Europa, sondern auch einer der ersten Abgeordneten dieser Partei in Deutschland und im Europäischen Parlament. Nach Ihrem Mandat blieben Sie in Belgien, um bei Greenpeace zu arbeiten und widmeten sich schließlich der Organisation von Win-Win-Treffen, Coachings, Konferenzen und Veranstaltungen auf internationaler Ebene.

FSH: Vielen Dank, dass ich heute mit Ihnen eine Tasse chinesischen Tee trinken darf.

LHCH: Bevor Sie uns von der World Green Design Organization (WGDO) erzählen, könnten Sie uns bitte zuerst Ihre Form des ökologischen Denkens darstellen?

FSH: Heutzutage erscheint es allzu oft so, als würden wir unsere ganze Energie darauf richten, die Umwelt retten zu wollen und als würde unsere Politik nur dieses eine Ziel verfolgen. Aber dies ist nur einer der Aspekte unseres Handels. Von Anfang an suchen wir Antworten auf das gesamte Spektrum unserer heutigen Probleme: Landwirtschaft, Architektur, internationaler Handel, Wirtschaft, Chancengleichheit, Energie, Soziales, Verkehr. Dabei wird unser Handeln nicht durch die öffentliche Meinung, sondern durch unsere Werte bestimmt. Hierzu zählen Respekt und Würde am Ort des Wettbewerbs; Dezentralisierung statt übermäßig zentralisierter Strukturen; Demokratie statt autoritärer Strukturen; Diplomatie statt Kriege; Verantwortung statt Befehle; Respekt vor dem Leben statt der Todesstrafe; langfristig und nicht kurzfristig.

LHCH: Hat Ihre Partei „Die Grünen“ auch eine spezifische Vision von Makroökonomie?

FSH: Die Menschen haben die begrenzten Reichtümer unserer Erde schon sehr ausgebeutet: Betrachten wir nur den Zustand der Meere, des Bodens, der Artenvielfalt, der Wälder, der Umweltverschmutzung, des Klimawandels … Mit ein wenig Nachdenken kann jeder sehen, dass die derzeitige neoliberale Wirtschaft diese Erde direkt gegen die Wand fährt. Eine der Möglichkeiten, auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren, besteht darin, sich verstärkt mit der Entwicklung der Kreislaufwirtschaft zu beschäftigen. Im Kern bedeutet diese, anspruchsvoller im Hinblick auf die qualitative und quantitative Verwaltung der bei der Produktion verwendeten Materialien zu werden. Es geht um die Umsetzung einer “Null-Abfall”-Philosophie und um die Nutzung erneuerbarer Energien anstelle alter umweltschädlicher Energien. Deutschland, ein hoch industrialisiertes Land, gewinnt bereits jetzt 40% seines Energiebedarfs aus Wind- und Sonnenenergie.

LHCH: Die WGDO ist eine chinesische Initiative. Wie genau treibt China die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft voran?

FSH: China blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück, in der es sich lange vor Europa von einer “ganzheitlichen” Weltsicht hat leiten lassen. Die Natur wird als Ganzes gesehen, das es zu respektieren gilt, weil die Menschen ein Teil von ihr sind und wir alle von ihr abhängen. Dies ist auch für jeden Umweltschützer von grundlegender Bedeutung.

Damals, vor seiner Modernisierung in den 1950er Jahren, war China eine große Nation mit traditioneller Landwirtschaft, die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Umwelt nahm. Es folgte die Industrialisierung, die enorme Mengen von Kohle verbrauchte und damit ihren Anteil an der Umweltverschmutzung leistete. Chinas Entwicklung zur “Fabrik der Welt” hat diese Situation noch verschärft. Viele Menschen leiden unter den Folgen dieser Umweltzerstörung und inzwischen man hat entdeckt, dass es andere Energiequellen gibt, die noch effizienter sind, ohne teurer zu sein. China zeigt daher jetzt den festen Willen, die vor 40 Jahren ins Leben gerufene europäische Bewegung für eine grünere Welt zu übernehmen.

Europa geht im Umweltbereich über seine alten politischen Gräben hinaus. Wir sehen dies im Europäischen Parlament: Alle politischen Kräfte, ob von links oder rechts, sind sich über die Kreislaufwirtschaft einig. Wenn wir uns die globalen Klimakonferenzen anschauen, auf denen die EU und China Hand in Hand arbeiten, dann ist daraus heute eine globale Bewegung geworden, insbesondere wenn die USA sich diese am 3. November anschließen.

Zurück zur WGDO. Sie ist eine der chinesischen Strukturen, in der sich die CEOs großer Unternehmen mehrmals im Jahr in China und einmal, in der Regel im September, in Brüssel treffen. Es ist ein Raum des Dialogs zum Austausch von Technologien und Methoden, um eine grüne Wirtschaft zu optimieren; die innovativsten und erfolgreichsten dieser Unternehmen werden ausgezeichnet. In Brüssel treffen sich diese chinesischen CEOs dann mit ihren europäischen Kollegen.

LHCH: China wird die “Fabrik der Welt” genannt, mit all den Umweltfolgen, die sich daraus ergeben. Es ist daher prädestiniert, zu einem wesentlichen Motor in der globalen Kreislaufwirtschaft zu werden, wenn es seine Führungsrolle fortsetzen will. Warum haben die CEOs der World Green Design Association Sie hier in Brüssel kontaktiert? War es Ihr Ruf als “König der Vernetzung”?

FSH: Ich bin seit 36 Jahren in Brüssel und habe immer im Zentrum der europäischen Angelegenheiten gestanden. Dank meiner zahlreichen Beziehungen habe ich chinesischen Insidern geholfen, das perfekte Büro hier in Brüssel zu eröffnen: ein mit Erdwärme beheiztes Meisterhaus von Prinz Laurent im europäischen Viertel. Ich nahm auch Kontakt zu den Europaabgeordneten auf, um die Organisation ihrer Jahreskonferenz hier in Brüssel zu sponsern. Aber für dieses Jahr werden wir leider, wegen Covid-19, darauf verzichten müssen.

LHCH: Seit einem Jahr leitet ein neues Team die Europäische Kommission, die Exekutive der EU. Was können wir im Rahmen der Kreislaufwirtschaft von ihr erwarten?

FSH: Unsere Struktur gibt dem Kommissionspräsidenten viel programmatische Macht. Mit der Wahl von Ursula von der Leyen zur Präsidentin ist eine neue Ära angebrochen. Das ist nicht “normal”, das ist außergewöhnlich. In Brüssel als Tochter eines der ersten hohen europäischen Beamten geboren, hat sie den europäischen Geist in ihren Adern. Mit einer zweisprachigen Erziehung (deutsch, französisch), einem halben Dutzend Kindern (und einem syrischen Flüchtlingskind, das sie in ihre Familie integriert hat), war sie die Ministerin, die am längsten im Kabinett von Angela Merkel diente. Sie besitzt eine ökologische, gesellschaftliche und soziale Vision, die ich bei keinem ihrer Vorgänger gesehen habe. Mit dieser Mischung aus klaren Ideen, Charme, Bescheidenheit, harter Arbeit, Intelligenz, Nachdenklichkeit und tiefem Verhandlungsgeschick wird sie als die Person in die europäische Geschichte eingehen, die es vermochte, “die EU zu grünen”. Und nachdem sie den Rest der Welt verführt hat, ihr zu folgen … Ich muss klarstellen: Sie ist nicht Mitglied der Grünen, sondern eines politischen Teils der Mitte-Rechts-Linie. Aber sie hat ihr Programm für die nächsten fünf Jahre dennoch “Green Deal” genannt. Wenn man sich den Inhalt ansieht, ist dies eine dauerhafte und völlig neue Vision für die offizielle EU-Politik.

LHCH: Es ist das erste Mal, dass die Kommission von einer Frau und zudem von einer Deutschen geleitet wird. Ist es absehbar, dass der Einfluss von Frauen und Deutschland in der EU weiter zunehmen wird?

FSH: Der Einfluss der Frauen sicher: Die Präsidentin hat bereits darauf bestanden, dass die Hälfte ihrer Kommissare Frauen sind. Aber ein Einfluss aus Deutschland? Nein. Frau von Leyen ist eine “echte Europäerin”: Sie wird versuchen, den Interessen aller EU-Mitgliedsstaaten mit der gleichen Intensität zu dienen.

LHCH: Glauben Sie, dass dies ein Weg für den langen Kampf ist, den die 1. Europäische Umweltpartei führt?

FSH: Ja, sicher. Es ist ein Unterschied zwischen den Analysen und Forderungen der Zivilgesellschaft – Intellektuellen, NGOs, Umweltverbänden – einerseits und den mehr oder weniger gleichen Positionen, die der Präsident der wichtigsten europäischen Institution vertritt, andererseits. Ich bin voller Dankbarkeit, ja sogar Freude, dass unsere Ansichten nun letztlich direkt die Politik unseres Kontinents und indirekt auch die Politik anderer Kontinente leiten werden.

LHCH: Was ist mit den Grünen in Deutschland?

FSH: Auch das ist eine erfreuliche Geschichte. Um zu viel strukturelle Unordnung zu vermeiden, muss eine politische Partei die 5%-Marke überschreiten, um ins Parlament zu kommen. In den 80er Jahren ist uns dieser Schritt gelungen. Jahrzehntelang hatten wir eine Wählerschaft, die sich auf bis zu 10% eingependelt hat, etwas mehr unter Frauen, in den Großstädten und Universitätsstädten. In den letzten Jahren hat sich alles geändert … Bei den Europawahlen 2019 haben wir die Zahl der aktiven Mitglieder verdoppelt; wir wurden mit über 20% gewählt, und einige Umfragen geben uns sogar noch mehr. Wenn der Trend bis zur nächsten Bundestagswahl ähnlich bleibt, werden die Grünen in Berlin eine Schlüsselrolle spielen: In einer Mitte-Rechts-Koalition werden wir eine grüne Vizekanzlerin sehen … und in einer Mitte-Links-Koalition könnte es sogar eine Grüne als Merkels Nachfolgerin geben.

LHCH: Deutschland ist die wirtschaftliche Speerspitze Europas, ein großer Kohleverbraucher und gleichzeitig das Land, in dem die Grünen politisch an Bedeutung gewinnen. Alles in allem eine Situation, die in etwa mit China identisch ist, wenn wir von der WGDO sprechen?

FSH: Zu Beginn der Geschichte der Grünen waren wir eine Partei “gegen”, dann wurden wir mehr und mehr zu einer Partei “für”. Hinsichtlich der Entscheidung, diese oder jene Energie zu nutzen, sind wir FÜR erneuerbare Energien.

Bevor China Weltmeister in der Wind- und Solarenergie wurde, war Deutschland in diesen beiden Bereichen die Nummer eins. Diejenigen, die Deutschland kennen, wissen, dass mein Land weder das sonnigste noch das windigste ist. Deutschland hat daher gezeigt, dass man, um ein Weltmeister in Sonne und Wind zu werden, vor allem politischen Willen, Technologie und eine günstige Gesetzgebung braucht.

Diese Gesetze sind wichtig. In Deutschland sind die großen Stromkonzerne verpflichtet (!), erneuerbare Energie zu kaufen, auch wenn es sich um einen sehr kleinen Produzenten handelt, und sie sind auch verpflichtet, die Kabel zu finanzieren, um diese Einheiten mit dem Stromnetz zu verbinden. Mit einem solchen Gesetz vermeiden wir, was vor Jahren in der Inneren Mongolei geschah, wo ein großer Teil der Windkraftanlagen mangels Anschlusses an dieses Netz keinen Strom produzierte. Aber Ihre Frage betraf die Kohle. Natürlich war sie während des Wirtschaftsbooms nach dem Zweiten Weltkrieg der wichtigste Energiefaktor. Aber unser Wille und unsere internationalen Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels haben uns dazu gedrängt, Schritte auszuhandeln, um in den kommenden Jahren den gesamten Kohlesektor aufzugeben und gleichzeitig – zugegebenermaßen kostspielige, aber für alle Seiten gewinnbringende – Lösungen für Regionen zu schaffen, in denen es sehr viele Kohlebergwerke gibt, die nun neue Perspektiven brauchen.

LHCH: Ist es für die Menschen denn erträglich, eine Windkraftanlage neben dem Haus zu haben – vor allem, wenn die größeren von 12 MW einen Rotor von 220 m und eine Spitzenhöhe von 260 m haben und eine Fläche von fast 40.000 m2 überstreichen?

FSH: Es stimmt, die Windturbinen sind immer größer und größer geworden. Für die Verteidiger der Kohle- und Atomkraft war es daher leicht, diese Art von Argumenten zu verwenden! Aber es ist eine Scheindebatte. Diese supergroßen Windturbinen findet man nur im Meer. Für Anlagen an Land gibt es überall Einschränkungen, um Belästigungen für die Bevölkerung und den Flugverkehr zu vermeiden.

Wenn Sie mit Landwirten sprechen, werden Sie oft hören, dass sie immer mehr Landeinheiten wollen, warum? Es gibt, vor allem in Norddeutschland, Bauern, die mit den Konzessionen der Firma, die die Windkraftanlagen installiert und betreibt, mehr Geld verdienen als mit ihrem Vieh und ihrer Ernte.

Und schließlich: Wir werden durch die Fähigkeit der Erde, die schädlichen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten zu absorbieren, verurteilt und sind daher gezwungen, unsere Lebensweise aus erneuerbaren Energien zu definieren.

In der EU (insbesondere in Deutschland) und in China haben wir verstanden, dass es notwendig ist, die Vorreiterrolle zu übernehmen, um diese entscheidenden Veränderungen des 21. Jahrhunderts voranzutreiben.

LHCH: Vielen Dank, Herr Schwalba-Hoth, für dieses nette Gespräch.

Post COVID-19, “Post Trump” Amerika und seine Beziehungen zu China und Europa

0

Beziehungen zwischen der EU und China werden in erster Linie durch Kooperation, Verhandlung und Schlichtung geprägt, während die Beziehung zur USA von Drohungen und Sanktionen seitens der US Regierung bestimmt wird. Robert Vandemeulebroucke (Pseudonym: Roger Vendam) ist ein belgischer Botschafter im Ruhestand. Er studierte Kunstgeschichte und Archäologie an den Universitäten von Gent und Ankara. Fast 40 Jahre lang vertrat er sein Land auf vier von fünf Kontinenten, darunter die USA, den Nahen und Fernen Osten. Seit seiner Pensionierung hat er Artikel über die immer dramatischere Situation im Nahen Osten geschrieben, zuerst unter Präsident George W. Bush, dann unter Präsident Obama und jetzt unter Präsident Trump.

LHCH: Sie haben das erste Buch über Präsident Trump veröffentlicht, ein zweites ist in Vorbereitung. Erzählen Sie uns von Ihren Büchern.

Robert Vandemeulebroucke (R.V): Mein erstes Buch “Donald J. Trump – A Chronicle – The First Year of a Failing and Chaotic Presidency” ist Ende 2018 in New York erschienen. Die Fortsetzung werde ich nach den Präsidentschaftswahlen am 3. November zu Ende schreiben.

In beiden Büchern beschreibe ich die Geschichte einer unerbittlichen und kontinuierlichen Machtübernahme durch diesen Präsidenten, indem ich seine beeindruckenden exekutiven Befugnisse wo immer möglich zeige und seine Politik der “Alleinherrschaft” auf der Grundlage seiner kontroversen Wahlagenda vorführe. Zumindest in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit unterwarf er die beiden, mehrheitlich von den Republikanern geführten, Kongresskammern und verstärkte erfolgreich seine Macht. Bei den Zwischenwahlen im November 2018 verlor Trump gegen die Demokraten, die jeden seiner Schritte ablehnten. Dennoch setzte Trump seine parteipolitische Politik fort, als sei nichts geschehen. Der Antagonismus zwischen dem Präsidenten und dem neuen Demokratischen Haus führte zu endlosen Konflikten: der Streit um die Finanzierung seiner mexikanischen Mauer, der Ausgang des Mueller-Berichts, seine Erpressung eines ausländischen Führers (Ukraine-Tor), die zu seiner Amtsenthebung durch das Repräsentantenhaus führte, wofür er der Anklage im republikanisch geführten Senat entging. Dadurch wurde er unverwundbar und stand über der Verfassung, wie er glaubt. Die Pandemie COVID – 19 zeigt überdeutlich, wie unvorbereitet und ungeeignet Trump ist, sein Land durch eine der bedeutendsten gesundheitspolitischen Krisen zu führen. Beide Bücher zeigen seine sprunghafte und widersprüchliche Außenpolitik. Von Nordkorea, China, Israel, dem Nahen Osten und Afghanistan bis hin zu Venezuela beschreiben sie Trumps kriegerische Politik, die den anhaltenden Konflikten nie ein zufriedenstellendes Ende brachte und die an anderen Orten sogar neue internationale Spannungen schuf. Trumps Außenpolitik verschlimmerte und komplizierte die Dinge weltweit weiter und seine unüberlegten Interventionen hinterließen nur Trümmer, ganz zu schweigen davon, dass er befreundete Länder wie Südkorea und Japan wiederholt in Gefahr brachte. Seine “Amerika first”-Politik hat zu einer Entfremdung mit zahlreichen Partner- und Koalitionsländern geführt und endete immer mit der Androhung von Strafzöllen oder anderen Formen der amerikanischen Einschüchterung und des Drucks auf diese Länder.

LHCH: Was sind Ihre Ansichten über die Weltwirtschaft und ihre führenden Akteure, die USA, China und die Europäische Union nach COVID-19?

R.V: COVID-19 hat die Welt global, brutal und unerwartet beeinflusst. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem Wissenschaftler einen Impfstoff finden, ihn erfolgreich testen und weltweit verfügbar machen werden – denken Sie an einen Zeitraum von etwa neun Monaten ab jetzt oder irgendwo zwischen März und Dezember 2021 -, wird COVID-19 eine ernsthafte Bedrohung für die Menschheit und die Quelle des schlimmsten Alptraums aller Menschen bleiben. Von jetzt an bis dahin wird jede Nation auf verschiedene dringend notwendige, sich wiederholende und mehrfache gesundheitspolitische Maßnahmen angewiesen sein und diese korrekt befolgen, um eine zweite Welle zu blockieren und ihre Bürger maximal zu schützen. Daher wird eine beispiellose internationale Zusammenarbeit und Verständigung notwendig sein und kleinliche Streitereien darüber, wer was falsch gemacht hat oder dringend benötigte Gelder von internationalen Organisationen wie der WHO zurückhält, müssen vermieden werden. Welche Versäumnisse auch immer bei der Kommunikation über das Virus und seine rasche Verbreitung begangen worden sein mögen, sie verblassen im Vergleich zu den vielen Wochen kostbarer Zeit, die Trump und seine Regierung vergeudet haben, wodurch sich die Zahl der amerikanischen Todesfälle um den Faktor X erhöht hat. Das Land auf eine zweite Welle des Virus vorzubereiten, ist eine reale Möglichkeit, die von Washington ignoriert wird.

Vergleiche mit dem Börsenkrach von 1929 gibt es viele. Die Auswirkungen dieses Virus auf die Weltwirtschaft werden ähnlich, wenn nicht sogar schlimmer sein und könnten länger andauern, bis sie verschwinden.

China könnte das erste Land sein, das sich erholt und einige seiner Fabriken und Geschäfte wieder in Gang bringt. Aber da sich der Rest der Welt in einer Zwangslage befindet, wird es lange dauern, bis es seine weltweit führende Exportposition zurückgewinnt. Seit der Kulturrevolution 1976 ist dies das erste Mal, dass die chinesischen BIP-Zahlen deutlich rückläufig sind. China wird Zeit brauchen, um diesen Schlag zu verdauen.

Die USA befinden sich in einer relativ schlechteren Position als China, weil sie nicht rechtzeitig auf das Virus reagiert haben. Sie sind unvorbereitet auf einen Angriff der zweiten Welle, ihre Wirtschaft dreht plötzlich nach Süden und die Arbeitslosenzahlen sind explodiert. Hinzu kommt die Nervosität sowohl der Demokraten als auch der Republikaner bei der Wahl des nächsten Präsidenten am 3. November. Viel anderes als die Bekämpfung des Virus und der Wahlkampf wird in den Geschichtsbüchern über dieser Regierung nicht zu finden sein.

Die EU kämpft gegen ihre eigenen nationalistischen Dämonen, wird aber weiterhin als Brücke zwischen den angeschlagenen USA und China fungieren. Die EU steht in ihren Beziehungen zu China in erster Linie für Kooperation, Verhandlung und Schlichtung und nicht für die aggressive Haltung der USA mit ihrem aggressiven Ansatz “wir gegen sie”, gefolgt von Drohungen und Sanktionen. Aber als eine Angelegenheit von hoher Priorität wird die EU einen besseren Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsstaaten herstellen müssen, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie schnell und erfolgreich zu überwinden.

Die Auswirkungen von COVID-19 auf jedes Land der Welt, ob Supermacht oder nicht, werden lang, kompliziert und schmerzhaft sein. Ein offensichtliches Zeichen der Einigkeit der Welt gegen diese Pandemie ist notwendig und kann dazu beitragen, den die Zeit, die jedes Land unter der Pandemie leidet, erheblich zu verkürzen. Letztendlich wird es von der Eignung, dem politischen Talent und der Standhaftigkeit der gewählten Führer sowie vom Verständnis der Wähler abhängen, ob sie sich an diesem Mammutprojekt beteiligen werden.

LHCH: Was sind Ihre Ansichten über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und den USA?

R.V.: An diesem Punkt ist es offensichtlich, dass sich die künftigen Beziehungen zwischen beiden Partnerschaften nicht unbedingt in die gleiche Richtung entwickeln werden wie in den Jahren vor Trump, als Kooperation, Verständnis und Gleichgesinnung an der Tagesordnung waren. Es wird davon ausgegangen, dass Biden Trump im November im Weißen Haus ersetzen wird. Falls nicht, bereiten Sie sich auf das schlimmstmögliche Ergebnis vor, denn was nach zwei Amtszeiten von Präsident Trump übrig bleiben wird, ist ein Amerika und eine amerikanische Außenpolitik jenseits der Möglichkeiten, beides wiederherzustellen. In diesem Zusammenhang wäre die EU gut beraten, ihren inneren Zusammenhalt so weit wie möglich zu stärken, um inneren Spaltungen angemessen standzuhalten und Trump bei der Einmischung in EU-Angelegenheiten zu stoppen.

Dann wird die Demokratie in Amerika, wie wir sie kennen, ein jähes Ende nehmen und in den Mülleimer der Geschichte geworfen werden. Meine Meinung nach wird Biden, falls er die Wahl gewinnt, einen Vorschlag machen, wie die Zukunft beider Beziehungen von einer fast todgeweihten zu einer neuen Renaissance geführt werden könnte. Wenn die Demokraten die Präsidentschaft und beide Kammern des Kongresses gewinnen, wird der Sieg über Trump total sein. Aber selbst, wenn die Demokraten den Senat an die Republikaner verlieren, wird sich dies nur auf die Politik im eigenen Land auswirken, aber kaum auf die künftigen Beziehungen zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken. Was mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass die Menschenrechte in all ihren Dimensionen, die Trump aufgegeben hat, an die Spitze der politischen Agenda der USA rücken werden.

Im Großen und Ganzen werden alle Wirtschaftsbeziehungen zwischen den USA und der EU, bei denen die gegenseitigen Sanktionen auferlegt wurden, wenig Zeit brauchen, um wiederbelebt zu werden.

Die Biden-Agenda zur Wiederbelebung der politischen und sicherheitspolitischen Beziehungen wird mehr Zeit benötigen. Das liegt daran, dass Präsident Biden zunächst die Auswirkungen vieler schädlicher und widersprüchlicher Politiken seines Vorgängers im eigenen Land beseitigen und das schwer beschädigte politische und soziale Gefüge der US-Gesellschaft wiederherstellen muss. Die Reparaturarbeiten im Bereich der transatlantischen Beziehungen werden beginnen, jedoch in einem langsameren Tempo. Zerstörung ist eine viel schneller zu erledigende Arbeit als der Wiederaufbau.

Unter den Sicherheitsfragen möchte ich Folgendes erwähnen: Wie lässt sich sicherstellen, dass die von allen Mitgliedstaaten zur Stärkung der NATO-Verteidigung erwarteten Beiträge in Höhe von 2 Prozent des BIP fristgerecht gezahlt werden, wenn die Haushaltsmittel für COVID-19 stark erschöpft sind? Wie soll man mit einem NATO-Mitgliedsland wie der Türkei umgehen, das mit einem Fuß im Bündnis und mit dem anderen im Kreml steht? Und wie steht es mit einer vielversprechenden EU-Verteidigungsstrategie außerhalb der NATO? Sollte die NATO eine erweiterte Rolle der Organisation außerhalb Europas in Betracht ziehen, z.B. im Nahen Osten und in Nordafrika? Wie steht es schließlich um die Aufhebung der Sanktionen gegen China, den Iran und eine Reihe befreundeter Länder? Die Antworten auf diese und viele andere damit zusammenhängende Fragen können erst nach dem 3. November formuliert werden.

Pandemie als Chancen für die EU und China?

0

Sowohl China als auch die EU sind wichtige Akteure in der Weltwirtschaft; und China betrachtet Europa als wichtigen Partner. Kann die Pandemie neue Bereiche der Zusammenarbeit eröffnen? Ein Interview mit ZHANG YI JIN, dem stellvertretenden Vertreter des chinesischen Rates zur Förderung des internationalen Handels.

LHCH: Welche konkreten Maßnahmen wurden von Ihnen vom Ausbruch des Virus COVID-19 bis heute ergriffen?

ZHANG YI JIN: Zunächst einmal hat die CCPIT-Repräsentanz in Belgien die Rolle als Plattform zur Förderung des internationalen Handels voll ausgeschöpft. Um dazu beizutragen, den lokalen Mangel an medizinischer Versorgung zu lindern, bieten wir unseren europäischen Partnern und Unternehmen Matchmaking-Dienste an, indem wir sie mit vertrauenswürdigen chinesischen Herstellern und Exporteuren medizinischer Güter in Kontakt bringen.

Zweitens bieten wir auf Anfrage unserer Partner mit Unterstützung unserer Kollegen aus der Rechtsabteilung auch Rechtsberatungsdienste für belgische Unternehmen an. Kurz gesagt, wir haben uns mit unseren belgischen und europäischen Partnern zusammengetan, um sowohl chinesischen als auch europäischen Unternehmen Hilfestellung zu leisten und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen beider Seiten in dieser schwierigen Zeit zu fördern.

In der Zwischenzeit war unser Büro als Sekretariat der AECBL (The Association of Chinese Enterprises in Belgium and Luxembourg) auch aktiv an der Organisation chinesisch investierter Unternehmen in Belgien beteiligt, um gegen COVID-19 zu kämpfen.

LHCH: Wie sieht es mit dem Personal Ihrer Mitgliedsunternehmen aus? ZHANG YI JIN: Gleich zu Beginn des Ausbruchs erinnerten wir unsere Mitgliedsunternehmen daran, ihre eigenen Antiepidemie-Maßnahmen und Notfallreaktionspläne entsprechend auszuarbeiten und ihr Bestes zu tun, um ihre Beschäftigten zu schützen.

ZHANG YI JIN: Gleich zu Beginn des Ausbruchs erinnerten wir unsere Mitgliedsunternehmen daran, ihre eigenen Antiepidemie-Maßnahmen und Notfallreaktionspläne entsprechend auszuarbeiten und ihr Bestes zu tun, um ihre Beschäftigten zu schützen.

LHCH: Können Sie uns bitte einige Beispiele über chinesische Unternehmen nennen, die belgischen Krankenhäusern helfen?

ZHANG YI JIN: Im Allgemeinen organisieren wir Initiativen für unsere Mitgliedsunternehmen und ermutigten sie, sich verstärkt um Spenden von medizinischem Material und Geldern an belgische medizinische Institute zu bemühen. Darüber hinaus nahm unser Büro auch Kontakt mit dem Brüsseler Krankenhaus Saint-Luc auf und rief unsere dazu Mitglieder auf, an die Fondation Saint-Luc zu spenden, um dem Krankenhaus finanzielle Hilfe zu leisten, damit das Krankenahsu hierdurch in  der Krise zu unterstützen.

Insgesamt haben unsere AECBL-Mitglieder 11.500,00 Euro an die Fondation Saint-Luc gespendet und mehreren belgischen Krankenhäusern medizinisches Material im Wert von 348.462,00 Euro gespendet, darunter medizinische Masken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräte, Desinfektionsgeräte usw. Darüber hinaus unterstützen wir auch unsere Mitgliedsunternehmen, indem wir Webinare wie Seminare über COVID-19-bezogene Gesetze in Belgien und Videokonferenzen für unsere Mitgliedsunternehmen organisieren, um Ideen und Erfahrungen darüber auszutauschen, wie Gesundheitsschutzmaßnahmen besser umgesetzt werden können.

LHCH: Haben Sie in dieser schwierigen Zeit von bewegenden Geschichten zwischen chinesischen und europäischen Unternehmen gehört?

ZHANG YI JIN: Ganz zu Beginn, als China unter der Epidemie litt, erhielten wir Beileidsschreiben von unseren Partnern. Alle diese Briefe sind sehr warmherzig und äußerst unterstützend und versprachen uns, jede mögliche Hilfe. Im Gegenzug haben wir ihnen auch unsere Briefe zugesandt, um unsere Verpflichtung zum Ausdruck zu bringen, ihnen die Hand zu reichen und vereint gegen COVID-19 zu kämpfen und die negativen Auswirkungen der Epidemie auf die Wirtschaft abzuschwächen. Denn: Kein Land ist immun gegen die Pandemie. Ich glaube, dass diese Briefe in Zeiten der Not den Geist der Gemeinschaft widerspiegeln.

LHCH: Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Handelsbeziehungen zwischen China und Europa in der Zukunft entwickeln? Welche Rolle werden Sie in der neuen Situation zu spielen haben?

ZHANG YI JIN: Ich bin kein Experte, aber ich denke, dass die Handelsbeziehungen zwischen China und der EU weiterhin florieren werden. Sowohl China als auch die EU sind wichtige Akteure in der Weltwirtschaft, und China hat Europa immer als einen wichtigen Partner betrachtet.

Laut dem Bericht Business Environment of the European Union 2019/2020, der von der CCPIT-Akademie herausgegeben wurde, haben die Beziehungen zwischen China und der EU im Jahr 2019 eine Dynamik solider und stetiger Fortschritte beibehalten: Beide Seiten haben unter anderem zwei Abkommen über die Zusammenarbeit in der Luftfahrt unterzeichnet; auch an der Wirtschafts- und Handelsfront gab es zahlreiche Erfolge. Im Jahr 2019 belief sich der Wert des China-EU-Handels auf 4,86 Billionen RMB, ein Anstieg um 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wie Botschafter Zhang Ming während seines “strategischen Online-Dialogs” mit Shada, einem Wissenschaftler des europäischen Think-Tanks “Friend of Europe”, am 24. April 2020 erwähnte, wirkt sich COVID-19 auf den ursprünglichen Zeitplan zwischen China und der EU aus, aber es lähmt nicht die Kommunikation zwischen den Beiden. Die Pandemie zeigt einmal mehr, dass China und die EU Partner und keine Rivalen sein sollten. Trotz der Epidemie können wir sehen, dass die Diskussion über den bilateralen Investitionsvertrag immer noch andauert und es wird berichtet, dass es Fortschritte gibt. Ich denke also, dies alles kann ein positives Zeichen bewertet werden.

LHCH: Die Pandemie könnte also sowohl für China als auch für die EU eine Gelegenheit sein, neue Bereiche der Zusammenarbeit zu erkunden?

ZHANG YI JIN: Einige Experten sind der Meinung, dass die Pandemie sowohl für China als auch für die EU eine Gelegenheit sein könnte, neue Bereiche der Zusammenarbeit zu erkunden, wie z.B. Gesundheitswesen, digitale Wirtschaft usw. Was unser Büro anbelangt, so denke ich, dass wir mit den weiter entwickelten Handelsbeziehungen enger mit unseren Partnern zusammenarbeiten und eine Brücke zwischen China und Belgien, zwischen China und Europa bleiben werden, um die Koordinierung zwischen den Regierungen und den Geschäftskreisen zu gewährleisten und den chinesischen und europäischen Unternehmen bessere Dienstleistungen anzubieten.

LHCH: Vielen Dank für Ihre Zeit!